Olaf Kosinsky creator QS:P170,Q30108329, 2015-12-14 Angela Merkel CDU Parteitag by Olaf Kosinsky -12, CC BY-SA 3.0 DE

Was bleibt von Merkel?

16 Jahre brauchte sie, um das Land zu verändern

Schon bei Helmut Kohl hatten zu Beginn seiner Amtszeit als Bundeskanzler – seit 1. Oktober 1982 – viele Zeitgenossen gemeint, der „Dicke“ werde es nicht allzu lange machen. Am Ende waren aus dem Herbst des Patriarchen sechzehn Jahre geworden – ein Winter unseres Mißvergnügens, der nicht enden wollte.

Eine Polemik von Mario Kandil

Als am 22. November 2005 Kohls „Mädchen“ ins Kanzleramt einzog, rechneten auch wieder viele Beobachter damit, die Neue würde nicht lange bleiben. Doch die Matriarchin blieb 16 Jahre lang im Amt und praktizierte die „Diktatur des Hosenanzugs“.

Oft unterschätzt

Offenbar brauchen die braven BRD-Bürger am Firmament der so unsicheren Politik immer wieder Fixsterne in der Person von Vaterfiguren wie einst Adenauer, Kohl und Schmidt oder Mutterfiguren wie Merkel. Insofern traf einst Peter Alexander mit seinem Lied „Der Papa wird´s schon richten“ den Nagel auf den Kopf, nur hieß es nun: „Die Mutti wird´s schon richten“.

Zu sehr wurden die Bundesrepublikaner an „Angie“ und ihr vermeintlich sanftes Regiment gewöhnt. Die von ihren Claqueuren systematisch betriebene, aber auch von zahlreichen Kabarettisten ungewollt geförderte Verharmlosung täuscht(e) darüber hinweg, wie gefährlich Angela M. tatsächlich ist. Wäre sie es nicht, hätte sie sich als frühere Agitprop-Funktionärin der FDJ kaum an die Spitze der ach so christlichen CDU putschen können. Sie hätte sonst nicht auch noch ins Kanzleramt vorpreschen und sich dort bis zuletzt halten können. Doch meinte ein kritischer Journalist, daß, wenn sie ein Mann und keine Frau wäre, sie längst aus dem Amt gejagt worden wäre.

Ihr Hauptmentor zur Zeit der Wende, Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause, kann ein Lied von Merkels Gefährlichkeit singen: „Ihr Hauptförderer, der dafür gesorgt hat, daß sie überhaupt aufs Festbankett kommt, war ich. Und als ich ins Wanken gekommen bin, hat sie den Finalschuß abgegeben. So ist die. So funktioniert die. Und das können Sie durchaus zitieren: Wenn man Frau Merkel den Rücken zudreht, gibt´s einen Tritt in den Arsch.“

Merkels Puppentheater

Rasch verkam die BRD-Bundesregierung zur modernen Muppet Show, in der die despotische Hauptdarstellerin renitente Minister wie Norbert Röttgen mit Nackenschlägen züchtigte. Widerstand duldete die Mutter Oberin nicht – darin ein echtes Kind des DDR-Systems, in dem sie groß wurde. Zwar leugnet sie stets, sich je „wirklich“ in Übereinstimmung mit der SED-Diktatur befunden zu haben, doch von ihrem „Widerstand“ läßt sich nichts finden.

Trotzdem stricken Merkels Freundinnen Friede Springer und Liz Mohn, die Witwen „großer“ Medienmogule (nämlich Axel C. Springer für den gleichnamigen Konzern bzw. Reinhard Mohn für Bertelsmann), über die von ihnen beherrschten „Qualitätsmedien“ unbeirrt weiter an der Legende der modernen Jeanne d´Arc. Es ist die Legende von der angeblich „mächtigsten Frau der Welt“, „unserer Miss World“ („BILD“). Die Wahrheit trifft wohl eher der mutig gegen Merkel schießende Kabarettist Urban Priol („Neues aus der Anstalt“, ZDF), der sie einmal trefflich „unsere Miss Management“ (für Mißmanagement) nannte. So legt sich ein Schleier milder Verklärung über Merkel und verbirgt ihren Dilettantismus. Am Ende ihrer Ägide wird sie – wie Helmut Kohl – als eine Lichtgestalt der BRD-Historie bejubelt. Keiner kommt auf die Idee, sie einen „Irrtum der Geschichte“ zu nennen.

Hans-Hermann Tiedje, Ex-Chefredakteur der „BILD“-Zeitung, schrieb in der „NZZ“ vom 15. September 2021 zutreffend: „Warum ist Angela Merkel unverändert populär? Die Presse […] wird regierungsseitig mit Anzeigen gefüttert. Im Fernsehen hat Haltungsjournalismus bei vielen inzwischen einen höheren Stellenwert als klassische Recherche, und über Merkel scheint die Sonne, weil sie mitschwimmt auf der Welle der Guten und Diversen. […] Wenn sie weg ist, werden viele merken, was man nicht an ihr hatte. Verläßlichkeit, Visionen, verantwortliches Handeln in jeder Lage. Die oft verbreitete Meinung ,Merkel kann Krise‘ ist eine Mär. Richtig ist: Sie konnte sich persönlich behaupten. Richtig ist auch: Sie hinterläßt ein zerrissenes Land, eine zerrissene Partei.“

Antideutsche Politik

So machte sie mun ter mit bei Masseneinwanderung und Euro-Rettungsorgie, unkte stereotyp, daß bei einem Scheitern des Euro Europa scheitern werde, und verschleuderte ungeniert immer höhere Summen deutscher Steuergelder für andere EU-Mitgliedsstaaten. Von dem im Maastricht-Vertrag (7. Februar 1992) verankerten Verbot, für die Schulden anderer EU-Mitglieder aufzukommen („Bailout“-Verbot), war nicht mehr die Rede. Und immer marschierte die Mutter Oberin vorneweg. Dabei hatte sie Mitte Mai 2010 in ihrer schnippischen Art dreist gemeint, die BRD habe über Jahrzehnte hinweg über ihre Verhältnisse gelebt, so daß nun ein harter Sparkurs gesteuert werden müsse. Freilich, wenn ein Land den Zahlmeister für die Welt spielt und sie als Kanzlerin dieses Landes für einen armen Menschen wie Josef Ackermann zu dessen Geburtstag im Bundeskanzleramt ein Galadiner gibt, für das am Ende nicht sie, sondern der deutsche Steuerzahler blechen muß!

Innenpolitisch trieb sie den Kampf gegen alles „Rechte“ weiter voran – bis vielleicht aus der BRD, dem einstigen Klassenfeind der DDR, irgendwann selbst einmal ein antifaschistischer Staat geworden ist. Dann hätte der untergegangene Arbeiter- und Bauernstaat mittels einer Trojanerin zwar spät, aber doch sein Ziel erreicht. Vor diesem Hintergrund ist das von Gertrud Höhler verfaßte Buch „Die Patin“ (2012) als Kritik an der sonst allseits verklärten Angela nur folgerichtig. Zu Recht fragt Höhler, ob Deutschland auf dem Weg zur Herrschaft einer Einheitspartei sei, und konstatiert zutreffend, daß für Merkel Machterhalt vor Parteienvielfalt gehe. Zwar erweist die Professorin der früheren FDJ-Charge mit der Bezeichnung „Patin“ zu viel der Ehre, doch im Kern liegt Höhler mit ihrer Aussage richtig, Merkel sei „undercover autoritär“. Aus der so viel gerühmten FDGO – dieses Kürzel stammt übrigens von Walter Jens, einem Säulenheiligen der Linken – wird unter Merkels Regiment immer mehr eine freiheitlich-demokratische Grunzordnung. In dieser haben die zu Schweinchen degradierten Bürger (oder sind es schon wieder Untertanen?) einzig das Liedchen zu quieken, das die Obrigkeit vorgibt. Pluralismus? Brauchen wir nicht mehr! Freiheit? Stört bloß die Herrschenden!

Der „Nachfolger“

Doch offenbar hat das Merkel-Regiment den Beherrschten gar nicht so gut gefallen, wie Mutti und ihre Claqueure dies angenommen hatten. Denn bei der Bundestagswahl vom 26. September 2021 verlor die CDU/CSU gegenüber 2017 an die 9 % und erzielte unter Merkel-Zögling Armin Laschet mit 24,1 % ihr historisch schlechtestes Resultat. Dabei landete sie noch hinter der SPD, die seit der Wahl von 2005 stets hinter der Union geblieben war.

Schwierige Regierungsbildung in der BRD

Einzig mögliches Zweierbündnis wäre eine neue Große Koalition, die aber weder SPD noch Union wollen. Deshalb dürfte es im Bund voraussichtlich zum ersten Mal seit den 1950er Jahren ein Dreierbündnis geben. Da es für Rot-Rot-Grün nicht reicht, strebt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nun wohl eine „Ampel“-Koalition mit Grünen und FDP an. Laschet betonte seinerseits, die CDU/CSU werde alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden. CSU-Chef Markus Söder sprach sich für ein „Bündnis der Vernunft“ unter Führung Laschets aus: „Wir glauben fest an die Idee eines Jamaika-Bündnisses“, sagte er. „Wir wollen gemeinsam in diese Gespräche gehen mit dem klaren Ziel, […] daß Armin Laschet dann der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird.“

Gott bewahre!

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