Francisco Peralta Torrejón, Haensel und Gretel 3848-Peralta, CC BY-SA 4.0

Ein Meister der Märchenoper

Vor hundert Jahren starb Engelbert Humperdinck

Wie Wilhelm Kienzl (1857 – 1941) , Eugen d’Albert (1864 – 1932) oder Hans Pfitzner (1869 – 1949) gehört Engelbert Humperdinck zu jenen Komponisten, die sich in der Nachfolge Wagners dessen orchestralen Errungenschaften zu eigen machten und trotzdem eigenständige Komponisten wurden. Vielen Zeitgenossen, selbst interessierten Musikfreunden, ist Engelbert Humperdinck heutzutage nur mehr als Komponist der Märchenoper „Hänsel und Gretel“ bekannt.

Ein Beitrag von Hermann T. Attinghaus

Viele Opernhäuser in Deutschland, Österreich und auch anderen Ländern spielen dieses Werk während der Weihnachtszeit, obwohl es – anders als Puccinis „La Boheme“ oder Pfitzners „Christelflein“ – mit Weihnachten gar nichts zu tun hat. Die spannende Geschichte und die hochromantische Musik sind freilich sehr gut geeignet, junge Opernbesucher zu faszinieren. Das Stück gefällt auch dem älteren Publikum sehr gut; bei vielen Erwachsenen ist es wohl auch eine liebgewordene Erinnerung an die eigene Jugend.

Engelbert Humperdinck wurde am 1. September 1854 als ältester Sohn des Rektors des Progymnasiums in Siegburg im südlichen Westfalen geboren. Seine Mutter war die Tochter des Domkantors von Paderborn, die selbst ausgebildete Sängerin war und daher großes Verständnis für den Sohn hatte, dessen musikalische Begabung sich schon sehr früh zeigte. Humperdinck komponierte schon als Kind, diese Werke sind aber später bei einem Brand verloren gegangen.

Bereits mit sieben Jahren erhielt er den ersten Klavierunterricht. Mit 14 Jahren besuchte er eine Vorstellung von Gustav Albert Lortzings (1801 – 1851) Märchenoper „Undine“, die einen tiefen Eindruck auf ihn machte. Zwar begann Humperdinck, nach dem Willen seines Vaters, zunächst eine Lehre als Bauzeichner, legte aber im April 1872 erfolgreich die Aufnahmeprüfung am Kölner Konservatorium ab und studierte dort u. a. bei Ferdinand Hiller (1811 – 1885). Als er das Mozartstipendium in Frankfurt am Main gewonnen hatte, könnte er seine Studien an der Königlichen Musikschule in München bei Franz Lachner (1803 – 1890) und Josef Rheinsberger (1839 – 1901) fortsetzen.

Den entscheidenden Anstoß, sich ganz der Musik zu widmen, empfing Humperdinck während eines Konzerts, das Richard Wagner 1873 in Köln dirigierte. Von nun an wandte er sich Wagners Kunstidealen zu. Im Jahre 1878 besuchte er in München Wagners „Ring“-Tetralogie und trat in der Folge dem „Orden vom Gral“ – einem Geheimbund junger Wagnerianer – bei. Mit Hilfe des Mendelssohn-Reisestipendiums, das er 1879 gewann, reiste er nach Italien, wo er im April 1880 in Neapel Richard Wagner besuchte. Wagner, der Humperdincks Begabung sofort erkannte, lud ihn ein, in Bayreuth sein Assistent zu werden. Von Jänner 1881 bis Juli 1882 nahm er an den Vorarbeiten zur Uraufführung des „Parsifal“ teil.

Vom Tod Wagners am 13. Februar 1883 war er tief betroffen. Den Festspielen in Bayreuth blieb er weiterhin verbunden; Wagners Sohn Siegfried, unterwies er in Kompositionslehre. Im Jahr 1888 wurde Humperdinck Lektor beim Musikverlag Schott in Mainz, 1890 Lehrer am Konservatorium in Frankfurt am Main und Kritiker der Bonner Zeitung. Die Uraufführung seiner Oper „Hänsel und Gretel“ am 23. Dezember 1893 unter der Leitung von Richard Strauss in Weimar brachte den großen Wendepunkt in seinem Leben.

Humperdincks Schwester Adelheid hatte den Bruder ursprünglich bloß um die Vertonung einiger Verse für eine Theateraufführung im Familienkreis gebeten, aber die Begeisterung darüber war so groß, dass Humperdinck schließlich eine abendfüllende Oper daraus machte. Schon bei der Uraufführung war das Werk ein großer Erfolg, der bis heute unvermindert anhält. Die anderen Opern Humperdincks „Dornröschen“, 1902 in Frankfurt am Main und die komische Oper „Die Heirat wider Willen”, 1905 an der Hofoper in Berlin uraufgeführt, „Die Marketenderin“, 1914 in Köln und „Gaudeamus“ in Darmstadt uraufgeführt, blieben lediglich Achtungserfolge. Nur die „Königskinder“, die zunächst als Melodram im Jänner 1897 am Münchener Hoftheater herauskamen konnten – vorübergehend – an den Erfolg von „Hänsel und Gretel“ herankommen. Die überarbeitete Fassung wurde Ende Dezember 1910 von Alfred Hertz an der Metropolitan in New York herausgebracht. „Hänsel und Gretel“ ist bis heute eine der meistaufgeführten Opern überhaupt.

Seit 1900 wohnte Humperdinck mit seiner Familie in Berlin, wo er eine Meisterklasse für Komposition an der Königlichen Akademie der Künste leitete. Für Max Reinhardt, der das Deutsche Theater leitete, schrieb er etliche Bühnenmusiken darunter zu Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ (1905), „Der Sturm“ (1907) und „Was ihr wollt“ (1908) wie auch zu Maurice Maeterlincks „Der blaue Vogel“ (1910). 1911 wurde Humperdinck Max Bruchs Nachfolger als Direktor der Theorie- und Kompositionsabteilung der Königlichen Hochschule für Musik. Im September 1921 starb er nach seinem zweiten Schlaganfall in Neustrelitz und wurde auf dem Friedhof in Stahnsdorf bei Berlin begraben.

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