von Florian von Ach
Der erwartbare Wahltriumph von Giorgia Meloni hat in Südtirol ebenso erwartbares Entsetzen, gepaart mit Unschlüssigkeit, hervorgerufen.
Führende Vertreter der Südtiroler Volkspartei (SVP) übertünchten ihr bescheidenes Abschneiden bei der Wahl – mit teilweise zweistelligen Verlusten – mit umso lautstärkerem Alarmismus nach dem Motto „Autonomie in Gefahr“. Dabei war es die SVP, die stets predigte, man habe die „weltbeste“ Autonomie – und nun sollte ein Wahlsieg der Rechten reichen, diese aus den Angeln zu heben?
Sogar aus Bayern kamen mahnende Worte: Ministerpräsident Söder (CSU) meinte, er werde „nun mehr auf die Leute in Südtirol schauen“. Bei aller Freude über das plötzlich erwachte Interesse an uns Deutschen südlich des Brenners: Angesichts der Personalie Söder könnte man dies auch als Drohung verstehen. Sicher, eine Rechtsregierung in Rom verheißt nichts Gutes für Südtirol. Das Wenige, was Giorgia Meloni bisher über Südtirol äußerte, schwankte zwischen plumper Provokation – etwa, daß österreichtreue Südtiroler „über den Brenner gehen“ sollten und weitgehend inhaltsleerem Süßholzraspeln zu Wahlkampfzwecken, wie mit einem in sehr gutem Deutsch gehaltenen offenen Brief in der Tageszeitung Dolomiten.
Zweifelsohne ist dem Südtiroler Landtagsabgeordneten Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) zuzustimmen, wenn er davor warnt, daß Meloni „die ethnische Süd-Tirol-Autonomie – die dem Schutze der deutschen und der ladinischen Volksgruppe dient – abschaffen und durch eine bedeutungslose Territorialautonomie ersetzen möchte. Damit wird auch die Schutzmachtfunktion Österreichs in Frage gestellt.“ Nur sei hier der Hinweis erlaubt, daß dies kein Spezifikum des politischen Handelns von Frau Meloni ist. Die Ersetzung der ethnischen Südtirol-Autonomie durch eine bedeutungslose Territorialautonomie war seit jeher das Ziel des linksliberalen Partito Democratico, mit dem die SVP jahrelang in einer Koalition regierte, den die SVP stets unterstützte und bei dessen Wahlsiegen sich die SVP stets erleichtert zeigte, daß „Autonomiefreunde“ nun in Rom das Sagen hätten.
Es mag auf der italienischen Rechten die Rhetorik brachialer sein, es wird an Verbalrülpsern in Richtung deutscher Volksgruppe nicht fehlen – aber in der Substanz verfolgen italienische Linke und Rechte in Bezug auf Südtirol dasselbe Ziel: Aushöhlung des deutschen Volkstums und Beseitigung der Schutzmachtfunktion Österreichs.
Zudem gibt der jüngste Schwenk des linksliberalen Flügels der SVP in Richtung der Südtiroler Grünen weitaus mehr Grund zur Sorge: Besagte Grüne möchten seit ihrer Gründung weniger die Umwelt schützen, als vielmehr die Säulen des Volkstumsschutzes schleifen. Unter dem Vorwand „gegen rechts“ und, wie könnte es anders sein, „zur Verteidigung der Autonomie“, möchten volkstumspolitisch völlig unbeleckte SVP-Kreise ausgerechnet mit diesen Autonomiefeinden gemeinsame Sache machen. Wenn nun die SVP, wie derzeitige Umfragen nahelegen, bei den nächsten Landtagswahlen eine krachende Niederlage einfahren wird, so könnten die Grünen als Mehrheitsbeschaffer ins Boot geholt werden und im Gegenzug weitgehend freie Hand zur Umsetzung ihrer autonomiefeindlichen Agenda erhalten.
Es lohnt daher ein Blick auf etwas weniger aufgeregte Stimmen. So meinte der Chefredakteur der Dolomiten, Dr. Toni Ebner, in einem Leitartikel: „Die erste Ministerpräsidentin Italiens steht vor schwierigen Aufgaben, um das Land zu regieren (…). Meloni dürfte folglich anderes auf der Agenda haben, als die Südtirol-Autonomie zu beschneiden, wie die ersten Hilferufe aus Südtirol glauben machen wollen. Bisher hat noch keine Rechtsregierung in Italien die Autonomie beschnitten.“
Der Obmann der Südtiroler Freiheitlichen, Andreas Leiter Reber, dessen Partei bei der Wahl einen bemerkenswerten Achtungserfolg einfahren konnte, meinte: „Das Ziel muß die Wahrung der Südtiroler Interessen sein: Minderheitenschutz, Verteidigung der derzeitigen Teilautonomie, weiterer Ausbau der Selbstverwaltung. Daher müssen Südtirols Anliegen bei allen italienischen Staatsparteien von Links bis Rechts deponiert werden. (…) Die Südtiroler sollen sich aus den ständigen parteipolitischen und ideologischen Auseinandersetzungen der Staatsparteien heraushalten. Umso mehr, da in Italien im Schnitt alle 14 Monate die Regierung wechselt.“
Man kann nur hoffen, daß dies die Richtschnur für das künftige Handeln der Südtiroler Politik sein werde.
Über den Autor:
Florian von Ach ist promovierter Jurist und arbeitet in Bozen als Rechtsanwalt im Bankenbereich. Er ist ÖLM-Mitglied und freiheitlicher Gemeinderat in seiner Heimatgemeinde Kaltern.