Quetschemännchen – Heiratsantrag leicht gemacht

Brauchtum (3)

von Reinhild Bauer

Quetschemännchen, Hutzelmännle, Pflaumentoffel, Zwetschkenmännchen – eine alte Tradition mit vielen Namen und Gesichtern.

Ursprünglich aus Frankfurt am Main kommend haben sich die lustigen kleinen Gestalten aus getrocknetem Obst, Nüssen, sowie Draht, Watte und Stoff weit in Deutschland verbreitet und in jeder Region einen eigenen Namen erhalten. Während das traditionelle Erscheinungsbild dieser Männchen der Schornsteinfeger ist, hat die Kreativität der Hausfrauen, Großmütter und Mädels, die diese Männchen von Hand basteln, Vertreter nahezu jeder Berufsgruppe hervorgebracht.

Die Quetschemännchen, wie sie in Hessen genannt werden, sind seit ihrem Aufkommen das Resultat liebevoller Handarbeit und werden mit großer Geduld im Herbst gesteckt und anschließend mit maßgeschneiderter Kleidung ausgestattet. Alsdann stehen sie in ihrer ganzen bunten Pracht auf den Weihnachtsmärkten bereit und harren ihrer Aufgaben.

Den Kerlchen werden heute drei Bedeutungen zugeschrieben: Sie werden den Kindern als Nascherei zum Nikolaustag geschenkt; zweitens hatten sie als Schornsteinfeger den Posten des Glücksbringers fürs neue Jahr inne. Und auch wenn das Erscheinungsbild vielfältiger geworden ist, spricht man den Männchen nach wie vor glücksbringende Kräfte zu.

Die dritte Aufgabe ist heute etwas in Vergessenheit geraten. Diese Gestalten aus trockenem Obst und Nüssen hatten früher eine sehr wichtige und zukunftsweisende Aufgabe für ihre Besitzer, nämlich als Antragsboten: Sie wurden von jungen Burschen an das angebetete Mädchen geschickt. Es ist nicht ganz eindeutig überliefert, ob diese Geste immer einen Heiratsantrag darstellte oder ob sie „nur“ als Liebesoffenbarung gedacht war.

Gesichert ist: Wenn das Quetschemännchen angenommen wurde, so galt dies als Erwiderung der angedeuteten Gefühle. Wurde das Quetschemännchen dem Boten jedoch wieder mitgegeben, so bedeutete dies eine Zurückweisung des jungen Mannes. Diese alte Sitte ermöglichte es den Burschen, in einer unmißverständlichen Art eines der schwierigsten Themen zum Ausdruck zu bringen und zugleich in jedem Fall das Gesicht zu wahren. Den Mädchen wiederum erleichterte dieser Brauch die ehrliche, direkte Antwort.

Eigentlich schade, daß diese Sitte heute in Vergessenheit geraten ist, denn so mancher Bursche wäre froh, wenn er seiner Geliebten nur ein Quetschemännchen zu schicken brauche, und schon wäre auf beiden Seiten alles geklärt…

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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