Ostern, eine Prüfung

von Erich Körner-Lakatos

Ein Fest aus dem Blickwinkel des Ehemannes und Vaters

Man kann gegen die größeren Feiertage sagen, was man will, einen Reiz haben sie unbedingt: daß durch sie in das Gesprächseinerlei eine kleine Abwechslung kommt. Das ewige „Wie geht’s“, das man mit Hinweis auf die gegenwärtige Inflation, Kriegsgefahr, Wirtschaftslage, Zores in der Familie oder sonstige Miseren beantwortet, erhält einige neue Strophen. Inhalt: „Was machen Sie zu Ostern? Wie lang, wie weit, wie hoch, wie teuer, wie billig, südlich oder westlich, sonnig oder kalt? War die Wetterlage halbwegs normal, dann fragt man: „Gut erholt, viel spazieren gegangen und gesonnt?“.

Bei widrigem Osterwetter kann man die Heimkehrer nicht vorsichtig genug fragen. Also recht schonend und zartfühlend wie nach einer Grippe oder einem ungünstig ausgegangenen Gerichtsverfahren. Kein halbwegs taktvoller Mensch wird zu den von klimatisch rauhen „Urlaubsfreuden“ Betroffenen sagen: „War’s schön zu Ostern?“. Man hat doch schon vorher gewußt, daß es nicht schön sein werde, aber gleich so arg, so kalt, so naß und unbehaglich, das war schon lange nicht da. Und dennoch sind so viele eingestiegen, weggefahren. Von den Wiener Ausfallstraßen und Bahnhöfen unzählige Natur- und Erholungsbeflissene, die sich auch durch die diesmal wirklich zutreffenden wetterprophetischen Warnungen nicht abhalten ließen.

Wie mag es diesen Bedauernswerten ergangen sein, und was kann man sie taktvoller Weise fragen, wenn man mit ihnen und ihren Regenschirmen irgendwo zusammentrifft, zwischen Wartehäuschen, Kaffeehaus- oder Apothekentür? Eigentlich müßte man sich erkundigen: „Wo haben Sie zu Ostern gefroren?“. Man kann es aber auch schonender ausdrücken: „Schon wieder trocken? Die werte Familie bereits fieberfrei?“. Die Repliken bei solch kurzen en-passant-Interviews sind meist kühle, verschnupfte und hustende Äußerungen, minder oder noch mehr gereizt, je nachdem, wo und wie den Betreffenden das Wetter erwischt hat.

Wenn es auf mich ankäme… Aber es kommt von Jahr zu Jahr immer weniger auf mich an, den altmodisch vorsichtigen Haus- und Stadtmenschen. Ja, früher, solange die Kinder klein waren, da konnte ich noch ein vorösterliches Machtwort sprechen: „Diesmal wird unbedingt hiergeblieben!“. Worauf wir dann tatsächlich bloß nach Lilienfeld gefahren sind. Aber das ist lange her.

Unter der Anleitung einer sportlich rauhen Mutterhand sind mir die Kleinen längst über den Kopf und das Einkommen gewachsen und haben sich zu einer markigen und abgehärteten neuen Generation entwickelt, die sich auf das Leben sehr wenig aus Lehrbüchern vorbereitet, dafür umso mehr in Sporthallen, auf Tennisplätzen und Skiwiesen.

Wenn ich manchmal auf die beträchtlichen Lücken hinweise, aus denen die Schulbildung der Kinder besteht, wehrt meine Frau sofort mit den Worten ab: „Das Mädel hat eine famose Rückhand und der Bub macht aus dem schärfsten Schuß einen wunderbaren Parallelschwung. Damit kommt man heutzutage viel weiter!“. So ist mein Familienleben allmählich zu einer geschlossenen Sportfront geworden, der ich machtlos und ängstlich gegenüberstehe.

Früher, ja früher, da waren die Ostern viel schöner. Wenn Sie mich in meinen jüngeren Jahren gefragt hätten: „Wie haben Sie Ostern verbracht?“, so hätte ich darauf wahrheitsgemäß antworten müssen: „Noch verheirateter als sonst“. Wobei ich gleich hinzufügen möchte, daß ich damals eine ebenso kinderlose wie verläßlich glückliche Ehe führte. Meine Frau war der beste Kamerad: anspruchslos, rücksichtsvoll, nicht vergnügungssüchtig.

Sie hatte nur einen Fehler: ihre ewige Besorgtheit um meine Gesundheit. Sie fand, daß ich nichts für mich tun, von Jahr zu Jahr mehr arbeiten würde. Ob Weihnachten oder Ostern, sie riß mich unerbittlich aus dieser angeblich schädlichen Lebensweise heraus, nötigte mich zu einem Zwangsaufenthalt in irgendeinem Bergtal, wo ich vier, fünf Tage lang nichts als Bein- und Lungenarbeit verrichten durfte und durch ein Vielzuviel an Natur nicht einmal zum ungestörten Lesen kam.

Auf Grund solcher Erfahrung stellte ich es einmal schlauer an. Meine Frau begab sich bereits am Montag der Karwoche in die Berge und ich in die Behandlung meines Zahnarztes. Eine größere Wurzelsache, gegen die auch das schönste Wetter nichts hätte ausrichten können. Nach den leicht beschönigenden Mitteilungen meiner Gattin litt sie trotz Zentralheizung, Galoschen und Wärmeflasche beträchtlich, noch mehr als ich auf dem Behandlungsstuhl.

Am Karsamstag erreichten Wetterlage und Behandlung ihren kritischen Höhepunkt. Am Sonntag sollte ich zu meiner Frau fahren. Stattdessen sandte ich ihr ein Telegramm: „Kehre zurück, alles geschwollen“. Schon am Abend war sie in Wien, pflegte mich zwei Tage lang aufopfernd, und ich konnte gutbeheizt und ungestört lesen. Es waren die gesündesten Ostern, die ich seit langem verbracht hatte.

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