von Benedikt Kaiser
Kaisers Zone (12)
Die Alternative für Deutschland (AfD) greift im Freistaat Sachsen nach den Sternen. „Bereit für mehr“ sei man. Das war nicht nur auf Werbebannern Mitte März zu sehen, die den Landesparteitag in Glauchau bei Zwickau umrahmten. „Bereit für mehr“ deutet Sachsens blauer Landeschef Jörg Urban auch so: „Wir wollen regieren, und wir werden regieren!“.
Was ist davon zu halten? Zunächst: Das Selbstvertrauen ist berechtigt. Die AfD steht in Umfragen zwischen 25 und 30 %, mal hinter der CDU, mal gleichauf, mal knapp führend. Es ist möglich, daß die Landtagswahl 2024 also den Spitzenplatz für die patriotische Sammlungspartei mit sich bringt. Das würde über Mitteldeutschland hinaus für politische Zuspitzungen und wochenlange Berichterstattung sorgen.
Aber mit wem will man koalieren, um die jetzige Allianz aus Schwarz-Rot-Grün abzulösen? Urban meint: mit der CDU. Allerdings schließt diese eine Zusammenarbeit aus. Ihr Bundeschef Friedrich Merz bewertet die AfD als „rechtsradikal“, in ein ähnliches Horn blasen Sachsens CDU-Spitzenpolitiker. Zudem läßt das CDU-geführte Innenministerium den AfD-Landesverband durch den Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ für „Rechtsextremismus“ überwachen. Schlechte Voraussetzungen.
Jörg Urban ficht das nicht an. Er gibt die Losung aus, daß die CDU bald nicht mehr anders könne, als mit der AfD zusammenzugehen. Nun – wenn das rein propagandistisch intendiert ist, um die Schwarzen vor sich herzutreiben, wäre das fachgerecht. Sollte das ernstgemeint sein, wäre es kritikwürdig. Denn der CDU bleiben diverse Optionen des Machterhalts, die ohne AfD-Kooperation auskommen. Sogar eine Erweiterung der bestehenden Koalition um die Linkspartei muß befürchtet werden. Daß Schwarze anstandslos mit Dunkelroten zusammengehen, um Blau auszustechen, weiß man im Nachbarbundesland Thüringen.
Und noch etwas ist zu kritisieren: Wieso soll man sich einseitig auf eine Zukunftskoalition mit der CDU festlegen? Die CDU ist im konservativen und rechtsoffenen, aber auch im diffus populistischen Wählerspektrum Sachsens unbeliebt; zwei Jahre Corona-Restriktionen und Gleichschritt mit der „Ampelkoalition“ in Berlin haben Spuren hinterlassen. Wieso also nicht das potentielle Koalitionsfenster offenstehen lassen? Wieso nicht sagen: Wir gewinnen die Wahl, dann sehen wir weiter! Ob mit der CDU oder aber eben auch mit eventuell in den Landtag einziehenden Konkurrenzparteien wie den „Freien Wählern“ oder gar einer gegebenenfalls dann gegründeten Sahra-Wagenknecht-Partei? Gewiß: spekulativ. Aber sich an die CDU zu binden, ist politisch nicht ratsam. Man vergrault die in Sachsen stark vertretenen Protestwähler, von denen Teile bereits jetzt zu den rechten „Freien Sachsen“ oder ins Nichtwählerlager abzuwandern drohen, weil sie bei der AfD argwöhnen, daß sie eine Tendenz zur CDU-Nähe in sich trage. Man sollte der CDU dieses Geschenk der Wählerverärgerung nicht frei Haus liefern. Auch nicht vor Ostern.
Über den Autor:
Benedikt Kaiser, Jg. 1987, studierte an der Technischen Universität Chemnitz im Hauptfach Politikwissenschaft. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lektor und Publizist. Kaiser schreibt u.a. für Sezession (BRD), Kommentár (Ungarn) und Tekos (Belgien); für éléments und Nouvelle École (Frankreich) ist er deutscher Korrespondent.