Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Bilder: Akademie der Wissenschaften

„Land, Land, endlich Land“

150 Jahre Franz-Josef-Land

Neue Ausstellung in der Akademie der Wissenschaften

Österreich-Ungarns guter Ruf hatte nach den sozialen Unruhen in der Mitte des 19. Jahrhunderts, den Nationalitätenkonflikten sowie den militärischen und diplomatischen Niederlagen wie Solferino, Königgrätz oder dem Ausschluß aus dem Deutschen Bund sehr gelitten; dem kulturellen Reichtum und den zahlreichen Erfindungen zum Trotz bremste die altertümliche Verwaltung den allgemeinen Aufschwung. Da kamen die Anregung und Unterstützung des Wiener Grafen Hans Wilczek, der Geldmittel des Kaisers und seiner Standesgenossen sammelte, gerade recht, mit einer Nordpolexpedition Ruhm und Ehre des Staates und seiner Bürger zu mehren.

Die hervorragend ausgebildeten Marineoffiziere Carl Weyprecht (1838, Darmstadt – 1881, Michelstadt) und Julius Ritter von Payer (1841, Teplitz-Schönau – 1915, Veldes/Bled) übernahmen die Expeditionsleitung auf dem hölzernen Segeldampfschiff Admiral Tegetthoff, das im Juni 1872 Bremerhaven verließ, schon im August nördlich von Nowaja Semlja im Eis stecken blieb und vom Wind abgetrieben wurde.

Was die Männer in den folgenden Jahren durchmachten, ist unvorstellbar; es gelang einigen, zu Fuß oder mit Schlitten und acht Hunden auf 81° 50‘ nördliche Breite vorzudringen. Am 30. August 1873 stieß man auf eine Inselgruppe, die „Franz-Josef-Land“ genannt, aber nicht in Besitz genommen wurde. Der erste Versuch, nach zwei Wintern das festsitzende Schiff aufzugeben und, die Rettungsboote über die Eiswüste ziehend zum offenen Meer zu gelangen, schlug fehl. Nach wochenlangem Kampf gegen Sturm und Kälte wurden die Männer durch die Eistrift zurückgetrieben. Mit der Bibel in der Hand bewog Weyprecht jedoch die hungernden und demoralisierten 24 Expeditionsteilnehmer zum neuerlichen Marsch nach Süden. Payer hielt die Szene später im Ölgemälde Nie zurück! fest.

Am 20. August 1874 trafen die Expeditionsteilnehmer endlich russische Fischer, die sie nach Nordnorwegen brachten. Die triumphale Rückkehr nach Wien am 25. September 1874 konnte die dortige Stimmung nach der verunglückten Wiener Weltausstellung, dem Börsenkrach und der Choleraseuche deutlich verbessern.

Die Expedition war bestens vorbereitet gewesen, und trotz aller Strapazen und Entbehrungen war nur ein Teilnehmer gestorben. Die wissenschaftliche Ausbeute war immens: Die meteorologischen, astronomischen, geodätischen, magnetischen und Polarlichtbeobachtungen sowie zoologische Ergebnisse wurden 1878 in einer Denkschrift der Akademie der Wissenschaften veröffentlicht; auch der literarische und der musikalische Nachhall waren beachtlich. Doch Neider sprachen Oberleutnant Payer den Erfolg ab – es sei alles bloß Schwindel gewesen. Weyprechts Idee einer systematischen Erforschung der Polregion führte nach seinem frühen Tod zu den internationalen „Polarjahren“.

Die aktuelle Ausstellung zeigt u. a. in der Arktis gezeichnete Landkarten, die von Carl Weyprecht 1874 auf der Inselgruppe Franz-Josef-Land verfaßte und 1978 von einem russischen Forscher entdeckte Flaschenpost, viele Fotos und Tagebücher.

Norbert Prohaska

Ausstellung in der Akademie der Wissenschaften, 1010 Wien, Bäckerstraße 13/B
Bis 14. Juli 2023, Mo.-Do. 9-17 Uhr, Fr. 9-13 Uhr; Eintritt frei
https://www.oeaw.ac.at/news/150-jahre-franz-josef-land-neue-ausstellung-an-der-oeaw-1
01/51581-0

Beitrag teilen

Facebook
Twitter
Email
Telegram
Print