Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Haferlschuhe – zeitlose Klassiker

von Reinhild Bauer

Brauchtum (8)

Frühlingsmatschwetter – Regen, Schnee und Sonnenschein in stetem Wechsel. Was soll da die richtige Fußbekleidung sein? Die Antwort ist etwa 200 Jahre alt und kommt aus Oberstdorf im Allgäu: der Haferlschuh.

Um das Jahr 1803 erfand der Allgäuer Schuhmacher Franz Schratt für seine Kunden, die Bauern, Jäger und Holzfäller waren, den Haferlschuh als Alternative zu den schweren und zugleich instabilen Holzzockeln. Als praktischer Universalarbeitsschuh sollte er dienen und wurde von Schratt nach dem Vorbild eines Gemsenfußes gestaltet. Der Anspruch an das neue Schuhwerk war es, verhältnismäßig zierlich und stabil zugleich zu sein. Die rasche Ausbreitung dieses Halbschuhs und die reißende Abnahme bis heute sprechen für das Modell.

Charakteristika sind die zwiegenähte Verarbeitung für Langlebigkeit, der tief ausgeschnittene Schaft unter dem Knöchel für mehr Bewegungsfreiheit, die Schuhspitze nach Art eines Schiffsbuges, um beim Bergabgehen den Druck von den Zehen zu nehmen, und das hochgezogene Fersenteil für Stabilität im steilen Gelände.


Für die Ausbreitung des Haferlschuhs waren sowohl Einheimische als auch Touristen verantwortlich. Die alpenländische Landbevölkerung, die gegenüber den Holzzockeln und den schweren Stiefeln die Vorteile dieses leichten, aber stabilen Schuhs rasch erkannte, bewirkte seine Verbreitung als Arbeitsschuh. Die vornehme Stadtbevölkerung aus ganz Europa, die als Touristen in die Bergregionen kam, empfand den Halbschuh als hübsches Urlaubsaccessoire und liebte ihn wegen seiner Leichtigkeit im Vergleich zu den damals noch üblichen steifen, hohen Stiefeletten. Sie machte den Schuh salonfähig und verbreitete ihn als modisch und schick. Dieser doppelte Erfolg des Haferlschuhs erklärt auch, weshalb wir ihn bis heute als Alltags-, Arbeits- und Festtagsschuh kennen.

Zur Namensgebung gibt es zwei Theorien. Eine erzählt von englischsprachigen Touristen, die dieses außergewöhnliche Modell „half shoe“ nannten, da es keinen Schaft hatte. Daraus wurde in der alpenländischen Mundart der „Haferlschuh“ – ein Anglizismus der frühen Stunde. Die zweite Theorie bezieht sich darauf, daß der Schuh mit etwas Phantasie an einen Becher erinnert. Die übliche Bezeichnung für Becher ist im bayerischen und österreichischen Raum „Haferl“ und könnte ebenso namensgebend gewesen sein.

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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