Schachtschneiders Schrift Staatschulden. Wider die Schuldenbremsen handelt eindrucksvoll die desaströse EU-Politik ab: Sie verhindert Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerb, Wohlstand. Einerseits mit Maßnahmen zur strikten Haushaltsdisziplin und Schuldenbremsen zur Wahrung von Preisstabilität in der Währungsunion (Art. 126 AEUV), die wirtschaftlich illusionär sind und sich nicht durchsetzen lassen, anderereits mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) (Art. 136 Abs. 3 AEUG), der die Mitgliedstaaten von dem Gebot der Vermeidung übermäßiger Defizite und Schulden (Art. 126 AEU) freistellt und das Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV aufhebt. Der ESM darf Staatsanleihen aufnehmen unter Umgehung des Art. 123 AEUV (Verbot von Kreditfazilitäten) und den Schuldenberg erhöhen. Die Bilanz ist erschreckend: Staaten, die sich unter den Rettungsschirm begeben haben, wurden mit aufgezwungenen Austeritätsmaßnahmen in die Rezession gezwungen, die ihnen noch größeren Schaden zugefügt hat. Der ESM, ein untaugliches Instrument, hat seine Ziele nicht erreicht. Der ESM war nur ein weiterer Schritt zur Vergemeinschaftung der Haftung für Schulden anderer EU-Staaten, das Tor für eine Schulden-, Finanz- und Transferunion.
Den EU-Organen liegt es fern, volkswirtschaftliche Politik zu betreiben; sie betreiben eine „Wirtschaft“ gegen das Volk. Die Stabilität des Euro wurde nie erreicht. Die Rettung des Euro dient dem internationalen Kapital, zielt aber auch auf die Bildung eines unitarischen Bundesstaates mit einheitlicher Währung, für den es keine Vertrags- und Verfassungsgrundlagen gibt. Die EU-Maßnahmen allesamt erweisen die Systemlosigkeit der EU-Politik: Schuldenbremsen einerseits, Staatsschuldenvermehrung andererseits. Schachtschneider referiert eingehend die brisante jüngste Schuldenpolitik der monetären Staatsfinanzierung durch Ankauf von Staatsanleihen durch das ESZB und die EZB. Dass der Euro noch existiert, ist einzig der gegen Art. 123 Abs. 1 AEUG – Verbot der Staatsfinanzierung – und Art. 125 AEUV ─ Bail-out-Verbot ─ verstoßenden verfassungs-widrigen Geldpolitik zu danken, mit der Staatsfinanzierung in grenzlosem Umfang für das OTM-Programm, die Politik des quantitave easing (PSPP) und dem Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) mit zwei Billionen Euro ─ Geldschöpfung aus dem Nichts. Schachtschneider durchleuchtet auch die fatale Rolle des Bundesverfassungsgerichts, das – wie immer regierungstreu ─ sein Plazet für die den Ermächtigungsrahmen des Art. 3 Abs. 1 lit c AEUV sprengende monetäre Staatsfinanzierung gegeben hat.
So wird die EU weiter vor sich hin dümpeln. Schachtschneider legt dar, dass die Schuldenbremsen der EU und der Mitgliedstaaten, namentlich Deutschland, fern der technischen Revolution, zum Rückschritt führen, die Entwicklung der Volkswirtschaften und Zukunftsvorsorge durch Investitionen behindern, ein Anstieg der Schulden durch Vorteile einer guten Infrastruktur ausgeglichen werden. Deutschland hat außer EU-Schuldenbremsen sich national noch zusätzlich mit Art. 109, 109 a und Art. 115 GG Finanzierungs-beschränkungen auferlegt. Schachtschneider gibt ein erschreckendes Bild von der wirtschaftsfeindlichen Politik und maroden Lage (Investitionsrückstand, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, keine technische Entwicklung, schlechte Infrastruktur, Ausverkauf der Unternehmen, der Daseinsvorsorge). Seine traurige Bilanz: „Während vorwärts strebende Staaten“ (USA, China, Japan) „technische Innovationen, die ihrer Wirtschaft Stärke geben, mit großen finanziellen Mitteln, oft im Rahmen der Militärhaushalte, unterstützen, verordnet sich die EU die Schuldenbremse. Deutschland macht bei dieser den Niedergang betreibenden Politik nicht nur mit, sondern forciert diese mehr als andere Mitgliedstaaten der EU, um die Partner der EU zur Haushaltsdisziplien nötigen zu können.“ Aber auch beim Schuldenmachen ohne volkswirtschaftlichen Nutzen steht es in der ersten Reihe.
Schachtschneiders Schrift begeht ein schwieriges und sperriges Gelände. Das Buch öffnet die Augen, enthält in 11 Kapiteln eine Fülle von Gedanken und Material, das nicht nur eine Herausforderung für jeden Juristen ist, sondern für jeden Deutschen, dem Europa noch etwas sagen soll. Für den überzeugten Idealisten wird der letzte Rest an Illusionen für ein starkes Europa im Gewande der EU schwinden. „Es ist allein das Geld, das die EU zusammenhält.“
Staatsschulden. Wider die Schuldenbremsen.
Von Karl Albrecht Schachtschneider
Schriften zum Öffentlichen Recht, Bd. 1442 –
Duncker & Humblot, Berlin 2021, 215 Seiten
kart. Euro 59,90. – ISBN: 978-3-428-18079-0.