Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Wikimedia Commons, USA National Archive in Washington, D.C., Heinrich Hoffmann

85 Jahre „Anschluß“

von Mario Kandil

Kalendarium Kandili (11)

Bis heute erhitzt Österreichs Anschluß an das Deutsche Reich die Gemüter. Für manche waren die Österreicher Opfer einer Aggression Adolf Hitlers sowie des Deutschen Reichs, wohingegen andere dem Alpenland wegen seiner überwiegend begeisterten Zustimmung zur „Heimkehr ins Reich“ ebensoviel historische Schuld zumessen wie diesem.

An dem in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg dominierenden Anschlußwillen hatten weder das Anschlußverbot der Friedensdiktate von 1919 noch das Scheitern einer Zollunion 1931 etwas ändern können. Daran wollte Hitler anknüpfen und ließ sich davon auch nicht durch den gescheiterten Putschversuch der Nationalsozialisten in Österreich 1934 abbringen. Nachdem die Briten im Frühsommer 1937 keine Garantieerklärung für Österreich abgegeben hatten, brachte ein Treffen Hitlers mit dem österreichischen Kanzler Kurt Schuschnigg am 12. Februar 1938 die Dinge in Bewegung.

Um dem von Schuschnigg für den 13. März angesetzten Referendum zur Unabhängigkeit Österreichs zuvorzukommen, befahl Hitler die Mobilmachung der 8. Armee und stellte Schuschnigg das Ultimatum, zugunsten von Arthur Seyß-Inquart zurückzutreten, der in Österreichs Regierung nationalsozialistischer Minister für Sicherheit und Inneres war. Schuschnigg gab nach, dennoch rückte am 12. März 1938 die Wehrmacht in Österreich ein. Sie stieß auf keinerlei Widerstand, sondern wurde mit großem Jubel empfangen. Mussolini, der noch 1934 eine diesbezüglich drohende Haltung eingenommen hatte, intervenierte nicht.

Die deutsche Besetzung Österreichs war ein großer politischer Erfolg für Hitler, denn nun kam die Empfindung der Zusammengehörigkeit der Deutschen in Österreich und im Reich ganz elementar zum Ausdruck. Am 13. März entschied sich die Regierung Seyß-Inquart für den Anschluß, am 14. wurde dieser per Reichsgesetz verkündet. Am 15. März 1938 bejubelten in Wien rund 200.000 Menschen den gebürtigen Österreicher Hitler, der verkündete: „Als Führer und Kanzler der deutschen Nation und des Reiches melde ich nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich!“ Eine entsprechende Volksabstimmung im Reich und in Österreich am 10.
April 1938 brachte hier wie dort fast einhellige Zustimmung. Deren tatsächliche Höhe mag wegen der Begleitumstände des Referendums diskutabel sein; die gerne ventilierte These, wonach Österreich vom Deutschen Reich zum Anschluß „gezwungen“ worden sei, ist dessen ungeachtet nicht haltbar.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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