von Reinhild Bauer
Brauchtum (9)
Was die Steiermark, insbesondere die Süd- und Untersteiermark, als Grundlage traditioneller Geselligkeit auch über ihre Grenzen hinaus bekannt macht, sind ihr Wein und eine der längsten Weinbautraditionen der Welt. Was wären Weib und Gesang ohne Wein?
Muskateller, Sauvignon Blanc, Welschriesling – diese Namen perlen über die Zunge und verheißen edle Tropfen. Bereits rund 2.400 Jahre lang besteht die Weinbautradition in der Untersteiermark. Die Kelten pflanzten die ersten Rebstöcke, die Römer führten die begonnene Arbeit fort. Fast völlig zum Erliegen kam der Weinbau während slawischer Ansiedlungen im 6. Jahrhundert. Erst fünf Jahrhunderte später gelang es vor allem den deutschen Orden und ihren Klöstern, den Weinbau wieder zu beleben. Ein Meilenstein in dieser Tradition ist die erste Weinbauschule der Welt, gegründet von Erzherzog Johann bei Marburg (Maribor). Diese beherbergt heute das älteste Weinmuseum und den ältesten Rebstock der Welt.
Mit dem Aufschwung des Weinbaus im 12. Jahrhundert kamen viele der heute noch geläufigen Traditionen und Redewendungen rund um den Weinbau zur Entfaltung: Vom Bruderschaft trinken über die Redewendung „Jemandem reinen Wein einschenken“, vom Heurigen über Bauernregeln bis zu Erntebräuchen verschiedenster Art und dem Martinstag als Tag der Weinsegnung des neuen Jahrgangs.
Die Nähe der Weinbauern zum natürlich vorgegebenen Jahresrhythmus ist der Garant für das Weiterleben der alten Bräuche. Wie schon vor hunderten Jahren beginnt der Winzer das Jahr mit dem Rebschnitt, es folgen die Bodenbearbeitung, Reberziehung und Schädlingsbekämpfung, die allseits gefeierte Weinlese und schließlich die sogenannte Kellerwirtschaft. Zur Kurzweil während dieser Arbeiten wird auch heute noch gerne auf Bräuche und Späße zurückgegriffen, wie dem Gebirgsaufschießen oder Fasslrutschn.
Obwohl wenige Traditionen aus der Untersteiermark mit dem Etikett „Deutsch“ versehen sind, fällt über die Jahrhunderte die starke Abhängigkeit zwischen dem Einfluß der deutschen Bevölkerung und den Erfolgen im Weinbau auf. Sowohl die erwähnte Weinbauschule als auch die heimeligen alten Traditionen werden den heutigen Touristen als slowenische Meisterwerke verkauft – und sind doch urdeutsche Errungenschaften. Bis heute aber ist der Wein ein verbindendes Element zwischen der österreichischen und der slowenischen Untersteiermark.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.