„Kalendermacher“ Ewald Friesacher im Gespräch mit dem ECKART
„Was ist Zeit?“, fragte Udo Jürgens einmal in einem seiner Lieder: Eine Frage, deren Beantwortung sich „über die Zeiten“ wohl immer wieder verändert haben mag. In jedem Fall ist das Zeitempfinden des Einzelnen in der digitalen Welt, in der scheinbar alles gleichzeitig geschieht, vor völlig neue Herausfordungen gestellt. Wir haben uns darüber mit Ewald Friesacher unterhalten, der seit vier Jahrzehnten ein ganz besonderes Kalendarium herausgibt.
Die Zeitmessung und das dazu notwendige Bewußtsein von Zeit dürfte sich wohl schon vor vielen tausend Jahren entwickelt haben, und es darf angenommen werden, daß dieser evolutionäre Quantensprung im Zusammenhang mit der Entwicklung des Vorratsdenkens stand:
Um auf der Nordhalbkugel überleben zu können, war das Erfassen der jahreszeitlichen Veränderungen eine Grundvoraussetzung.
Die Beobachtung von Konstanten, die den Jahreslauf berechenbar machten, müssen irgendwann zu Beobachtungsplätzen geführt haben. Simple Observatorien, die zugleich Kalendarien und damit erste Zeitmeßeinrichtungen waren, auch wenn es sich anfänglich nur um die Wendepunkte der Sonne handelte.
Das älteste derartige Sonnenkalendarium, das wir heute kennen, ist jenes von Goseck in Sachsen-Anhalt, das über 7.000 Jahre alt ist.
Kalendarium im mittlerweile 40. Jahrgang
So alt ist der „Alldeutsche Jahrgothweiser“ (vormals „Alter Jahreszeitweiser“), das Kalendarium von Ing. Ewald Friesacher, natürlich noch nicht, aber es erscheint 2021 immerhin schon im 40. Jahrgang, und es ist – allen Widerständen zum Trotz – eine Erfolgsgeschichte geworden. Wie kam er eigentlich 1982, als junger aufstrebender Techniker bei Siemens, auf die Idee, einen Kalender und noch dazu einen Wandkalender herauszugeben?
„Ich wollte ein plastisch einprägsames Kalendarium schaffen, das die Kraft des Mondes und seinen Einfluß auf die Menschen – insbesondere die Frauen – ins Bewußtsein rückt. Ich wollte die Mondphasen immer durch eine spiralförmige Kreisung vor Augen haben; so entstand das besondere graphische Design meines Kalenders. Wie jeder weiß, hat der Mond hat einen gewaltigen Einfluß auf Mensch, Tier – insbesondere hormonell – und Natur: Die Spirale verbindet die Mondphasen mit uraltem, tradierten Wissen und wird so auch zu einer besonderen Uhr für den Menschen, von der er mehr über innere und äußere Zusammenhänge erfährt.“ Man könnte seinen Kalender auch als „Kreis-Zeit-Weiser“ bezeichnen, erzählt uns Friesacher, und man merkt, daß er mit Leidenschaft und Überzeugung an einer Sache hängt, an die er auch selbst glaubt.
Ein Blickfang in jeder Stube
Friesachers Kalender ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes: Nicht nur wegen des wandfüllenden A3-Formats mit ausklappbaren Seitenteilen, sondern wegen der farbenfrohen, prächtigen Gestaltung, die in jeder Stube ein Blickfang ist.
Diese unverwechselbare Optik ist auch das Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung, so waren die Kalender der 1980er-Jahre noch einfärbig, wie uns Friesacher erklärt. Hinzugekommen ist seit einiger Zeit auch ein eigenes Jahrbuch im A4-Format, um den Kalender zum Lesen nicht jedesmal von der Wand abnehmen zu müssen: „Kalender und Jahrbuch ergänzen sich ideal: So sind am Kalenderblatt u.a. die Lostage erfaßt, über die man im Jahrbuch mehr erfährt. So kann man auf diesem Wege das alte Brauchtum neu entdecken…“
Aber ist sein Kalendarium in Zeiten, wo die Menschen schlicht keine Zeit mehr zu haben scheinen, weil sie sich 24 Stunden am Tag im Standby-Modus einer permanenten Reizüberflutung aussetzen, überhaupt noch zeitgemäß?
„Nichts ist schöner, als Zeit für sich zu haben!“
„Mehr denn je zuvor“, ist Friesacher überzeugt, der von 2011 bis 2017 auch Obmann der ÖLM-Landesgruppe Kärnten war. Die Menschen würden ja schließlich einen Kompaß brauchen, der sie aus diesem digitalen Hamsterrad herausführe, zurück zu einer naturverbundenen Lebensweise: „Nichts ist schöner, als Zeit für sich zu haben!“ Das Wiederfinden des natürlichen Lebensrythmus‘ sei für ihn ein Ordnungs- und Identitätsfindungsprozeß, ohne den es keine Lebensqualität geben könne. Der zivilisationskrank gemachte Europäer des 21. Jahrhunderts könne seine Wurzeln nicht irgendwo, sondern nur bei seinen Altvorderen finden. Hierzu böte sein Kalender eine unentbehrliche Orientierungshilfe.
Weiterführende Informationen unter: http://www.jahrweiser.at
