Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Archiv ÖLM

Trinken nach alter deutscher Weise

von Hermann Attinghaus

Bier und Wein in Lied und Schrifttum

Der ebenso bekannte wie beliebte Ausspruch „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang“ wird gerne dem Reformator Martin Luther zugeschrieben. Obwohl er in seinem Werk nicht nachzuweisen ist, paßt er durchaus zu Luthers gesunder lebensbejahender Einstellung. Auch in der zweiten – heute unterdrückten – Strophe des Deutschlandliedes, das Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 im damals englisch besetzten Helgoland schrieb, werden „Deutsche Frauen, deutsche Treue/ deutscher Wein und deutscher Sang“ gepriesen. In Karl Mays Der blau-rote Methusalem, einer „lustigen Studentenfahrt nach China“ aus dem Jahre 1888 (heute Band 40 der Gesammelten Werke), wird der Titelheld im ersten Kapitel genau geschildert: „Sein Gesicht war von einem dunklen, wohlgepflegten Vollbart eingerahmt und zeigte die Fülle und Farbe eines braven Germanen, der sich darüber freut, daß die deutschen Biere längst ihren Triumphzug um die Erde vollendet haben“, heißt es da. Dieses Urbild des deutschen Bummelstudenten ist von Anfang an positiv gezeichnet, auch wenn er erst zum guten Ende wirklich zu studieren beginnt. Karl May traf damit punktgenau den Geschmack seiner jugendlichen Leserschaft.

Der Genuß alkoholischer Getränke spielt im gesamten deutschen Schrifttum auf allen Ebenen eine beherrschende Rolle.

In erster Linie betrifft das Bier und Wein. Dabei fällt besonders auf, daß die Konsumation geistiger Getränke nicht bloß um der berauschenden Wirkung willen gepriesen wird, sondern zumeist mit höheren Zielen wie Liebe, Inspiration oder Tapferkeit in Verbindung gebracht wird. Niemals wird das Trinken als Selbstzweck gepriesen, sondern stets dient es der Anregung, der Begeisterung, wird in erster Linie mit der Liebe verbunden, der Liebe zu hübschen jungen Mädchen, zu schönen Frauen, sodann der Liebe zum Vaterland wie zur engeren Heimat oder zur eigenen Stadt, wie in zahllosen Wiener Liedern. Hier findet sich eine kleine, höchst individuelle Auswahl an Liedern und Gedichten, in denen der Wein und das Bier und ihre berauschende Wirkung gepriesen werden.

Goethe, selbst ein begnadeter Genießer alles Wahren, Guten und Schönen, schrieb 1810 anläßlich des (letzten) Geburtstages der legendären preußischen Königin Luise das heitere Lied „Ergo bibamus“. Darin werden die Freunde aufgefordert, aus festlichem Anlaß zu trinken. Bereits 1813 wurde das Lied von Max Eberwein vertont und fand sehr bald Eingang in Studentenliedersammlungen. Im Jahre 1858 wurde es in das Allgemeine Deutsche Kommersbuch aufgenommen und ist bis heute eines der meistgesungenen Studentenlieder geblieben.

In seinem Gedicht „Anakreons Grab“, das Mitte der 1780er-Jahre entstand, preist Goethe den „glücklichen Dichter“, der gemeinsam mit dem griechischen Philosophen Epikur und dem Römer Horaz vor allem in der klassisch-romantischen Epoche als Verkörperung fröhlichen Genusses galt.

„Im Kreise froher, kluger Zecher“ wird „jeder Wein zum Göttertrank“.

Zeitgenossen Goethes wie Matthias Claudius – „Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher“ – , Ludwig Hölty – „Ein Leben wie im Paradies“ – oder Wilhelm Hauff – „Wenn die Becher fröhlich kreisen“ – haben gleichfalls begeisterte Trinklieder geschrieben. Hauff verfaßte zudem die „Phantasien im Bremer Ratskeller – Ein Herbstgeschenk für die Freunde des Weines“, entstanden in seinem Todesjahr 1827, in dem auch Beethoven starb. Darin steigt der Icherzähler allein zu nächtlicher Stunde in den berühmten Bremer Ratskeller hinab, wo sich Traum und Wirklichkeit zu einem poetischen Erlebnis verdichten. Der Dichter Willibald Alexis lobte Hauff, dessen satirisch-kritische Ausfälle gegen die herrschenden Zustände in Deutschland „von einem hohen politischen Bewußtsein des Dichters“ zeugen.

Auch die Romantiker Ludwig Uhland – „Wir sind nicht mehr beim ersten Glas“, „Was ist das für ein durstig Jahr“ – und Joseph von Eichendorff – „Viel Essen macht viel breiter“ – lobten in zahlreichen Gedichten Bier und Wein. In dem schönen Lied „Freiheit und Gleichheit“ von Christian Gottlieb Otto, das vor 1808 entstand, heißt es in der ersten Strophe, daß „im Kreise froher, kluger Zecher… jeder Wein zum Göttertrank“ werde, „denn ohne Lieder, ohne Becher/ bleibt man ein Narr sein Leben lang.“ In den weiteren Strophen ist die Rede davon, daß alle Menschen Brüder und Schwestern seien, und im humanistischen Geist wird jeder brave Mann und werden alle tugendhaften deutschen Frauen gepriesen.

Aus dem Jahre 1880 stammt das fröhliche Lied „Sitz ich in froher Zecher Kreise“ von Ludolf Waldmann, in dem die Freude am Trinken der alten Germanen an beiden Ufern des Rheins gepriesen wird. Der antike Gott Bacchus und der legendäre germanische König Gambrinus werden als Erfinder des Bierbrauens und damit als Patrone aller Biertrinker angesprochen. Tatsächlich sind aber Florian von Lorch bzw. Arnulf von Metz die Schutzheiligen des Bierbrauens. Interessant ist der Umstand, daß es zu Hartmanns Lied eine Zusatzstrophe eines unbekannten Verfassers gibt, in der die jungen Deutschen, wie die Vorväter am Ufer des Rheines sitzend, auch auf das Wohl des Deutschen Schulvereines trinken.

Gaudeamus!

Der wahrscheinlich meistgelesene Studentenliederdichter des 19. Jh. war Joseph Victor von Scheffel, der mit zahlreichen Gedichten durchaus auch ironisch die Vorzüge von Bier und Wein preist. Seine größten Erfolge, der fröhliche Sang vom Oberrhein – Der Trompeter von Säckingen und sein Roman Ekkehard sind zwar heute weitgehend vergessen, aber seine heiter-ironischen Gedichte und seine Trinklieder werden noch immer gerne zitiert und gesungen. Sie finden sich in der Sammlung Gaudeamus (1868) sowie seinen Liedern aus dem Engeren und dem Weiteren. Die Lieder aus dem Engeren beziehen sich auf die Universität in Heidelberg, an der Scheffel von 1844 bis 1847 studierte, und auf das Schwabenland, während die Lieder aus dem Weiteren seinen Reisen gelten, die ihn bis nach Italien und Österreich führten. Hier findet sich „Im schwarzen Walfisch zu Askalon“ebenso wie „Das war der Zwerg Perkêo im Heidelberger Schloß“.

Nicht vergessen werden darf in diesem beschwingten Reigen der Thüringer Studentendichter Rudolf Baumbach. In seinem Werk finden sich gleichfalls zahlreiche Trinklieder. Etliche davon werden bis heute gesungen und haben volksliedähnlichen Charakter angenommen wie z. B. „Die Lindenwirtin“ und „Keinen Tropfen im Becher mehr“, beideaus den Liedern eines fahrenden Gesellen (1878). Darin finden sich auch „Traurige Folgen des Wassertrinkens“ – eine humorvolle Version des Nibelungenstoffes – „Das Lied vom Bürstenbinder“ und „Das Lied von der Kreide“. Das bekannte Burschenschafterlied „Ehre, Freiheit, Vaterland“, das Baumbach ursprünglich 1879 für einen Wettbewerb der Wiener Studentenzeitschrift Alma mater schrieb, wurde noch im selben Jahr von Hanns Treidler, dem Chormeister des Wiener akademischen Gesangsvereines, eines Vorgängervereines der Universitätssängerschaft Barden zu Wien, vertont. Es wurde recht rasch zur Hymne der deutschen Burschenschaft, erschien aber erst 1897 in Baumbachs Bunten Blättern und wurde im selben Jahr in das Allgemeine deutsche Kommersbuch aufgenommen. Gedichte von Rudolf Baumbach wurden u. a. von Alban Berg, Richard Heuberger, Wilhelm Kienzl und Max Reger vertont. Hermann Löns ist hier gleichfalls zu nennen, so wie Karl Hans Strobl, Hans Watzlik und Robert Hohlbaum.

Trinklieder von Mozart bis Hans Moser

Auch in einigen deutschen Opern finden sich Trinklieder, überraschenderweise aber bei weitem nicht so viele, wie man annehmen möchte.

In Mozarts Entführung aus dem Serail versucht Pedrillo, der Diener Belmontes, der seine Braut aus dem Harem des Basas Selims befreien möchte, den Wächter Osmin erfolgreich mit Wein außer Gefecht zu setzen. Weniger erfolgreich ist Kaspar im Freischütz Carl Maria von Webers beim dem Versuch, Max, den Jägerburschen betrunken zu machen. Sein Sauflied „Hier im ird’schen Jammertal ist zwar eine prächtige Arie, bleibt aber ohne den erwünschten Erfolg. Noch viel zünftiger ist das Trinklied Sir John Falstaffs „Als Büblein klein an der Mutter Brust“ in Otto Nicolais Shakespeare-Oper Die lustigen Weiber von Windsor, die 1849 an der Berliner Hofoper nur wenige Wochen vor Nicolais Tod uraufgeführt wurde. Auch in Gustav Albert Lortzings Märchenoper Undine, uraufgeführt am 21. April 1845 in Magdeburg findet sich ein köstliches Duett zum Lobe des Weins: „Im Wein ist Wahrheit nur allein.

Nur in Friedrich von Flotows Martha oder Der Markt von Richmond hingegenwird mit dem „Porterlied“ aus dem dritten Akt dem Bier gehuldigt. Die Oper, die 1847 am Kärntnertortheater in Wien uraufgeführt wurde, zählte lange Zeit zu den meistaufgeführten Opern weltweit. Im Wienerlied schließlich gelten die meisten Lieder ohnehin dem Wein, dem Trinken oder bestimmten Wirtshäusern, wo ein besonderer Tropfen ausgeschenkt wird; und selbst die anderen Aspekten wie der Stadt selbst oder der Liebe geltenden Wienerlieder kommen selten ohne jede Erwähnung des Generalthemas Wein aus. Zu recht, denn: „Es wird a Wein sein, und mir wer‘n nimmer sein“!

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