Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Der Bielitzer Stadtberg vor dem Zweiten Weltkrieg. Ganz rechts: Das Geschäft vom Vater des Autors.
Foto: Privat

So habe ich als Kind 1945 die Vertreibung erlebt

„Die Heimat in der Schultasche“ – oder vom Ende einer Kindheit

Im Alter von sechs Jahren verlor Heinz Herwig Bathelt (geb. 1938) aus Bielitz, Oberschlesien, nicht nur einen Teil seiner Familie, sondern auch seine Heimat in den Beskiden. Die dramatische Flucht nach Österreich ist hier auszugsweise erstmals veröffentlicht.

Ein Zeitzeugenbericht von Heinz H. Bathelt

Die letzten Weihnachten in der alten Heimat waren schon sehr deprimierend. Alle männlichen Familienmitglieder fehlten, auch die üblichen Geschenke. In den letzten Monaten des Jahres 1944 versiegte auch die Post von meinem Vater. Er schrieb immer nur „im Westen“. Gut drei Wochen später begann unsere Ausreise mit den vielen Zwischenstationen. Auch das war mit Hindernissen verbunden: meine Mutter bekam zur Evakuierung ihrer Kinder – meiner Schwester Ursula und mir – drei Tage mit der Verpflichtung, dann wieder im Büro anzutreten.

Meine Großmutter war auch ganz allein und durfte nicht mit, weil sie erst 58 Jahre alt war. Alle drei Söhne waren im Krieg, sowie ihr Mann, der mit 60 Jahren erneut zur Marine eingezogen worden war, obwohl er im Ersten Weltkrieg verwundet gewesen war. Sie mußte zurück bleiben und erlebte die Eroberung durch die Rote Armee. Sie kam aber gut durch diese schlimme Zeit, kochte für die Russen und war somit versorgt. Die Geburtstage von Mutter und Großmutter Mitte Jänner feierten wir noch bei uns. Eine Woche später war dann die Abreise nach Jägerndorf im Sudetenland. Dort lebten mehrere Verwandte meiner Großmutter, wo wir unterkommen konnten. Zu dieser Zeit standen die Russen vor Auschwitz, etwa 50 km von uns entfernt, wir hörten den Geschützdonner. Mittags zogen wir in die Innenstadt, die auf einer Anhöhe lag, um eine warme Mahlzeit einzunehmen.

Kriegsende im Niemandsland

Ich habe diese Tagen in schöner Erinnerung, es war wie im Frieden. Doch auf einmal war alles vollkommen still geworden, fast unheimlich war die allgemeine Waffenruhe am 8. Mai 1945. Es war wie im Niemandsland; alle sonstigen Einrichtungen funktionierten wie bisher, das Versorgungsgeld wurde weiterhin bar ausbezahlt. Aber bei uns tat sich die große Frage auf: was tun? Und wohin?
Meine Großmutter hatte als junge Mutter im Frühjahr 1915 das Herannahen der russischen Front erlebt. Damals wurden Geschirr und Wäsche in Körbe verpackt und nach Wien verfrachtet. Erst als General Falkenhayn mit deutscher Verstärkung die Front wieder gefestigt hatte, war die Gefahr gebannt. Und so wurde die Lage im Mai 1945 eingeschätzt: es würde sich wieder beruhigen, und man könnte dann wieder zurück nach Bielitz.

Mit eingenähtem Bargeld als Rückkehrer getarnt

Dazu waren einige Maßnahmen und Verhaltensregeln für uns Kinder erforderlich. Zuerst wurde festgelegt, daß wir polnische Rückkehrer seien; dazu wurden Kokarden in Rot-Weiß an unsere Kleidung angenäht, und uns Kindern wurde strikt verboten, ein deutsches Wort auszusprechen. (Wie schwierig das für uns Kinder war, kann sich wohl jeder vorstellen!) Außerdem wurden von Mutter und Großmutter verschiedene „Verpackungen“ angefertigt, Bargeld in Strumpfgürtel und Mieder eingenäht, Wollpullover aufgetrennt und deren Wolle um Schmuck und Uhren gewickelt.

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der ECKART-Ausgabe Juni 2020, die sie HIER bestellen können.

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