ECKART-Exklusivreportage vom Latzfonser Kreuz
Vor genau 100 Jahren wurde der südliche Tiroler Landesteil von Italien annektiert. Mit dem Schanddiktat von St. Germain folgte der widerrechtlichen Besetzung auch die völkerrechtswidrige Teilung des Landes im Gebirge. 100 Jahre danach werden die Stimmen der Selbstbestimmungsbefürworter immer lauter. Am 10. Oktober – am Jahrestag der Annektion – wurde nun ein Markstein im Zentrum Tirols eingeweiht. Als Erinnerung – und Fanal.
Ein Gastbeitrag von Raphael Mayrhofer
Mit einem etwa eineinhalbstündigen Aufstieg zum Latzfonser Kreuz begann für viele heimatverbundene Tiroler der Jahrestag der Zerreißung unserer Heimat. Mehrere Hundert aus allen Landesteilen hatten sich bei bestem Wetter eingefunden, um der Präsentation des Marksteins im Herzen Tirols beizuwohnen, darunter auch eine Delegation des Andreas-Hofer-Bundes (AHB). Der Ort nahe der Stadt Klausen im Südtiroler Eisacktal wurde gewählt, da er das geographische Zentrum des alten Tirols bildet.
Die Feier, an der große Abordnungen der Schützen teilnahmen, stand ganz unter dem Zeichen des Erinnerns. Nach dem Abfeuern von zwei Ehrensalven wurde die Tiroler Landeshymne gesungen. In mehreren Reden sprachen Politiker und Schützen aus allen Landesteilen über die schmerzvolle Geschichte des Landes.
Umerziehung und Überfremdung
Der Unterwerfung unter das fremde Joch folgten Jahre der Umerziehung und Italienisierung sowie der gezielten Überfremdung des Landes durch importierte Süditaliener. Ob unter dem Faschismus oder dem demokratischen Italien – die Entwurzelung der Tiroler südlich des Brenners voranzutreiben, galt stets als zentrales Anliegen Roms. Daran änderten auch Jahre des Verhandelns mit dem Fremdstaat wenig. Erst die Aktionen der Freiheitskämpfer der Sechziger Jahre – die bezeichnenderweise keine Erwähnung in den Reden der Landespolitiker fanden – führten zu einer Verbesserung der Situation. Wenn auch leider zu keiner zufriedenstellenden Lösung, wie sie nur die Einigung Tirols sein kann.
Auffällig war bei den Reden auch der einheitliche Verweis auf eine angeblich „europäische Lösung“, die infolge des Grenzabbaus innerhalb der EU-Staaten erzielt worden wäre. Nicht wenige Anwesende zeigten sich in persönlichen Gesprächen über diese Haltung verwundert. Auch die Floskeln vom „Miteinander der Volksgruppen“ und der „Überwindung des Nationalismus“ stießen bei den Zuhörern auf wenig positive Ressonanz.
Klare Worte von Wirth Anderlan
Doch neben zahlreichen Worten des Gedenkens ließ insbesondere der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes, Major Jürgen Wirth Anderlan, auch die Zukunft des Landes nicht aus den Augen und hielt sich dabei auch mit Kritik nicht zurück. Vor schneebedeckter Bergkulisse sprach der Kalterer über die Mutlosigkeit seiner Vorredner. Das Wort „Selbstbestimmung“ sei in keinem Redebeitrag gefallen, selbst die vielgerühmte „Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino“ würde nicht den Mut besitzen, als „Europaregion Tirol“ das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.
Es sei nicht damit getan, an die Ereignisse der Vergangenheit zu erinnern, wenn es an Visionen und Taten für die Zukunft fehle, betonte der vollbärtige Schützenkommandant vor dem neu enthüllten Denkmal, welches auch von der ÖLM mitfinanziert wurde. Der aus Stahl angefertigte und auf einer Steinmauer angebrachte Markstein zeigt die Entfernungen zu in Süd, Ost, West und Nord gelegenen Ortschaften Tirols. So etwa Kufstein, Stilfserjoch oder Borghetto an der Berner Klause.
Freiheitsimpuls in Coronazeiten
Im persönlichen Gespräch betonte Wirth Anderlan nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung, da es nun an der Zeit sei immer weitere Schritte zu setzen, bis die Landeseinheit vollständig wieder hergestellt sei. Auf Corona als Chance für die Freiheitsbewegung angesprochen, erklärte er, daß die Maßnahmen vielen Landsleuten finanziell wehtun würden und daher auch die Bereitschaft wachsen würde, über eine Loslösung von Italien nachzudenken. Tatsächlich werden in Südtirol die Stimmen immer lauter, die einen eigenständigen „Südtiroler Weg“ und das „Los von Rom“ einfordern. Die Schützen selbst nahmen den 10. Oktober nicht nur zum Anlaß, den Markstein einzuweihen, sondern nutzten das historische Datum auch, um mit roten Leuchtfeuern an 30 historischen Stätten im Süden Tirols auf die Gefahr der schleichenden Assimilierung hinzuweisen.
