von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (17)
Am 13. Juni 823, vor 1.200 Jahren, wurde in Frankfurt am Main mit Karl II. bzw. dem Kahlen jener Mann geboren, der als erster französischer König gilt. Er entstammte dem auf Karl Martell zurückgehenden Herrschergeschlecht der Karolinger. Karl II. glückte es als einzigem westfränkischem bzw. französischem König, aus seinem Königtum ein Kaisertum zu machen.
Nachgeborener Sohn Ludwigs des Frommen aus dessen zweiter Ehe mit Judith erhielt Karl II. seinen Beinamen „der Kahle“ wohl deshalb, weil er vor dem Wormser Reichstag von 829 – anders als seine Brüder – bei der Aufteilung des Frankenreichs Karls des Großen nicht bedacht worden und somit kahl im Sinne von besitzlos war. Diese Erbzuteilung werteten Karls drei ältere Stiefbrüder als Bruch der geltenden Reichsteilungsgesetze, und so brachen langwierige Kämpfe aus, die am Ende Karl als König von Westfrankreich (von den Pyrenäen bis zur Schelde) siegreich sahen: Die Verträge von Straßburg (842), Verdun (843) und Meerssen (870) sicherten Karls II. Herrschaft, was ihm den Ausbau seines Reiches zum Kaisertum ermöglichte. Die Krönung Karls zum Kaiser erfolgte am 25. Dezember 875, doch sehr lange konnte sich der Begründer des Kirchenstaates ihrer nicht erfreuen, denn er verstarb auf der Rückreise aus Italien am 6. Oktober 877. Zunächst in Nantua beigesetzt, fand er seine letzte Ruhestätte gemäß seinem Wunsch in der Basilika Saint-Denis. Während der Französischen Revolution wurde allerdings auch sein Grab geöffnet, geplündert, und seine Überreste wurden außerhalb der Kirche verscharrt.
Da Karl wie erwähnt als einziger westfränkischer bzw. französischer König zum Kaiser avanciert war, wirkte er auch als Impulsgeber imperialer Pläne von im späteren Mittelalter herrschenden Königen von Frankreich. Bis zum Erreichen seines Mündigkeitsalters im Jahre 838 am Hof in Aachen lebend erhielt Karl hier eine umfassende Bildung und hatte als Lehrer einen so bedeutenden Mann wie den aus der Klosterschule Reichenau hervorgegangenen Wahlafrid Strabo. Auch zog Karl mit dem Iren Johannes Scotus einen weiteren hochgelehrten Mann in seine Nähe und wirkte so nicht nur als der Begründer des späteren Frankreichs, sondern auch als Förderer von Wissenschaft und Literatur. Seinen Hof machte er zu einer Stätte intensiver Studien in diesen beiden Bereichen. Wertvolle Belege hierfür finden sich in mit Miniaturen und Gedichten ausgestatteten Codices, die aus Karls direktem Besitz und Gebrauch stammen.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.