von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (33)
Gemeinhin wird – nicht nur in der angelsächsischen Welt – der gebürtige Schotte Alexander Graham Bell als Erfinder des Telefons angesehen und gerühmt. Doch genau betrachtet gebührt dem Deutschen Johann Philipp Reis diese Ehre. Um seinem 150. Todestag am 14. Januar sei hier an diesen Pionier der Technik erinnert.
Schon früh verwaist absolvierte der am 7. Januar 1834 in Gelnhausen geborene Reis eine kaufmännische Lehre in Frankfurt am Main und nahm nach seiner Militärdienstzeit in Kassel 1855 seine bereits zuvor begonnenen Studien der Naturwissenschaften wieder auf. Der Gedanke, die menschliche Sprache durch den elektrischen Strom zu übermitteln, ließ ihn nicht los. Unverhofft an eine Lehrerstelle am Institut Garnier in Friedrichsdorf gelangt experimentierte Reis mit Gehörwerkzeugen und hatte schon bald Erfolg: Am 26. Oktober 1861 konnte er in Frankfurt am Main erstmals seine Erfindung – er nannte sie in Anlehnung an den Telegraphen das Telephon – öffentlich vorführen.
Wie es meist bei Erfindungen ist, wurde auch die seine zunächst abgelehnt. Speziell in der Wissenschaft sah man sein Telefon bloß als „Spielerei“ an – nicht ahnend, was dereinst daraus werden sollte. Also versuchte Reis selbst, sein Gerät auf den Markt zu bringen. In alle Welt verschickte er seine Apparate, und diese dienten als Objekte für Experimente bzw. fanden Aufnahme in wissenschaftliche Sammlungen.
Doch der Erfolg, den Reis verdient gehabt hätte, blieb aus, und dann setzte eine schon längere Zeit bei ihm bestehende Tuberkulose seinem Leben am 14. Januar 1874 ein Ende. Schon zwei Jahre nach dem Tod von Johann Philipp Reis meldete Alexander Graham Bell am 14. Februar 1876 sein Patent auf den durch ihn entwickelten Typ des Telefons an. Bell gestand jedoch ein, daß er die Arbeiten von Reis zumindest partiell gekannt und sie weiterentwickelt habe.
Zu spät erinnerte man sich nun in Deutschland an die Versuche und Telefonvorführungen des Erfinders Johann Philipp Reis, die zu seinen Lebzeiten nicht ernst genug genommen worden waren. Viele seiner Schüler und Lehrerkollegen, aber auch viele andere Wissenschaftler setzten sich dafür ein, daß Reis den ihm zustehenden Ruhm erhalten möge, das erste brauchbare Telefon entwickelt zu haben. Doch es half nichts, und daneben gerieten leider auch seine anderen Entwicklungen – Rollschlittschuhe und ein Veloziped – in Vergessenheit.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.