Augustinerabt und Naturforscher, Vater der Genetik
von Magdalena S. Gmehling
Über Jahrhunderte gehörte die Markgrafschaft Mähren zur Habsburgermonarchie. Dort wurde in Heinzendorf (Hyncice) bei Odrau am 22. Juli 1822 der Bauernsohn Johann Mendel geboren. Sehr früh weiht sein Vater den begabten Knaben in die Geheimnisse der Obstbaumkultur ein; dieser besucht ab 1834 das Gymnasium in Troppau und absolviert 1840 als einer der Klassenbesten. Im selben Jahr beginnt er ein Philosophiestudium in Olmütz, muß dieses aber wegen Geldmangels abbrechen. Auf Wunsch seiner Mutter tritt er ins Priesterseminar ein, 1843 ins Augustiner-Eremiten-Kloster St. Thomas in Altbrünn und erhält den Ordensnamen Gregorius; 1847 folgt die Priesterweihe. Früh hat der Autodidakt Vorlesungen über Landwirtschaft, Obst- und Weinbau bei Diebel gehört, der zusammen mit dem Abt einen Versuchsgarten betreibt, den Mendel 1848 übernimmt. Seine Oberen bemerken die Wissenschaftsbegeisterung des jungen Mannes und gestatten ihm ein Studium in Wien, wo er 1851-1853 Mathematik, Physik, Chemie, Botanik, Zoologie und Paläontologie studiert. Der Priester beginnt nach seiner Rückkehr 1856 Kreuzungsversuche an Erbsenpflanzen, die sich durch bestimmte Merkmalspaare unterschieden. So kreuzt er hoch-und zwergwüchsige Pflanzen, Exemplare mit grünen oder gelben, kantigen oder glatten Samen. Mendel erkennt, daß sich die Merkmale nach bestimmten Zahlenverhältnissen vererben, über die er akribisch Buch führt – bis zu 28.000 Pflanzen soll er so beschrieben haben. Der Augustinerpater stellt drei Regeln auf:
Uniformitätsregel
Kreuzt man hoch- und zwergwüchsige Pflanzen, so entstehen in der nächsten Generation F1 nur hochwüchsige Pflanzen. Die Eigenschaft der Hochwüchsigkeit ist also „dominant“ über die Zwergwüchsigkeit, letztere „rezessiv“. Erste Mendelsche Regel: Kreuzt man zwei reinerbige (homozygote) Eltern, die sich in einem Merkmal unterscheiden, sind alle Nachkommen genotypisch und phänotypisch gleich (uniform).
Spaltungsregel
Durch Selbstbestäubung der so erhaltenen Pflanzen entstehen in der nächsten Generation hoch- und zwergwüchsige Pflanzen in einem Verhältnis von 75:25. Die Zwergwüchsigkeit (rezessive Form) tritt also bei einem Viertel der Nachkommen wieder auf. Zweite Mendelsche Regel: Kreuzt man die heterozygoten Individuen der F1-Generation, spalten sich die Nachkommen (F2) sowohl im Genotyp als auch im Phänotyp auf. Die Nachkommen sind also nicht mehr gleich (uniform).
Unabhängigkeitsregel
Nach Selbstbestäubung der Spaltungsgeneration entstehen in der F3-Generation aus zwergwüchsigen Pflanzen ausschließlich zwergwüchsige Nachkommen. Diese ergeben (mit sich selbst befruchtet) immer wieder Zwergwuchs. Aus den 75 % der hochwüchsigen F2-Pflanzen entsteht bei Selbstbefruchtung Hochwuchs. Die Nachkommen der Restlichen sind wieder zu 75 % hochwüchsig und zu 25 % zwergwüchsig. Dritte Mendelsche Regel: Unterschiedliche Merkmale werden unabhängig voneinander vererbt. Diese Erbanlagen können sich neu kombinieren.
1866 wagt Mendel die Veröffentlichung seiner minutiösen Forschungen unter dem Titel Versuche über Pflanzen-Hybriden.
Die angemessene Würdigung bleibt zunächst aus
Bedenkt man, daß Darwin noch 1859 schrieb, die Gesetze der Vererbung seien vollkommen unbekannt, so ist die Bedeutung des schlichten Mönches nicht hoch genug einzuschätzen. Mendel selbst war überzeugt, daß seine Zeit noch kommen würde. Er legte nicht nur den Grundstein für die moderne Genetik, sondern trug damit auch maßgebend zur modernen Landwirtschaft bei.
1867 wird Gregor Mendel zum Abt gewählt. Ein zermürbender Steuerstreit mit der Regierung überschattet sein letztes Lebensjahrzehnt; die klösterlichen Pflichten hindern ihn an weiteren Forschungen. Er stirbt am 6. Jänner 1884.
Es sollte noch 15 Jahre lang dauern, bis um 1900 die Bedeutung des bescheidenen Mannes allmählich erkannt wurde. Die Stadt Brünn im heute tschechischen Mähren würdigte ihren großen Sohn inzwischen: Auf dem Areal von dessen Kloster finden sich eine Gedenktafel, eine Porträtskulptur und ein Granitdenkmal sowie das Mendel-Museum. Die Mendel-Universität in Brünn wurde 1919 als landwirtschaftliche Hochschule gegründet und ist bekannt für wissenschaftliche Spitzenleistungen.