Plenarsaal der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments
Wikimedia Commons, Palazzo del Quirinale

Italien, Südtirol, Meloni – ein Tanz auf dünnem Eis

von Florian von Ach

Italien hat mit dem Wahlsieg von Giorgia Meloni ein politisches Erdbeben erlebt, das in diesem Ausmaß von den wenigsten ausländischen Beobachtern erwartet worden war. In Italien hingegen überraschte dieser Wahlausgang weitaus weniger. Denn die nahezu peinliche Hingabe, mit der die ausländischen Medien dem Premierminister Mario Draghi huldigten, der eine Konzentrationsregierung aus allen Parteien mit Ausnahme jener von Giorgia Meloni anführte, blieb dem ehemaligen Goldman-Sachs-Topmanager und Ex-EZB-Chef beim italienischen Volk versagt. Draghi erfreute sich niemals der Beliebtheit, die sich die Mainstreammedien jenseits der Alpen so sehnlich für ihn erhofften und die sie herbeizuschreiben versuchten.

Gegen den smarten Ex-Banker und nunmehrigen Ex-Ministerpräsidenten Draghi stand Giorgia Meloni, die Frau aus einfachsten Verhältnissen, die sich mühsam nach ganz oben gekämpft hat. Als einzige Opposition im Parlament wußte sie diese Bühne scharfzüngig für stets sehr gut vorbereitete Auftritte zu nutzen. Ausländer, Sicherheit, „Gender“ – in all diesen Bereichen vertritt Meloni eine glasklar rechte Position, die bei den Wählern sehr gut ankam. Zudem positionierte sie sich als bewußt proeuropäisch und proatlantisch, um die außenpolitischen Partner Italiens nicht zu beunruhigen.

Melonis prononcierter Patriotismus tat den traditionell von Minderwertigkeitskomplexen gegenüber den stärkeren europäischen Größen im Westen und Norden, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, geplagten Italienern ebenfalls gut: „Endlich eine von uns, die sich vom Ausland nichts sagen läßt“, hieß es an den Stammtischen. Wobei auch Silvio Berlusconi gegenüber ausländischer Kritik völlig gleichgültig war. Nur ist der Stil eben anders: Während Berlusconi solcher Kritik mit oft schlüpfrigen und nicht immer gelungenen Scherzen begegnete, weist Meloni diese auf ihre Art zurück: laut, manchmal sogar schrill, aber konsequent und immer gründlich vorbereitet.

Melonis Makel aus Sicht eines deutschen Südtirolers: ihre Abneigung gegen alles Deutsche

Diese Abneigung betont die neue Ministerpräsidentin auch immer wieder. Selbst die deutsche Literatur ist davor nicht gefeit. Und deutschen Südtirolern empfiehlt sie, nach Österreich auszuwandern, wenn es ihnen „in Italien“ nicht passe. Eine Begnadigung und somit eine Heimkehr von Südtiroler Freiheitskämpfern, denen noch immer die Rückkehr nach Südtirol verwehrt ist, ist unter ihr nicht zu erwarten.

Dennoch besteht kein Grund zur Panik. Zum einen gibt es im Bezug auf Südtirol ohnehin einen Grundkonsens in Rom, der da lautet: Alles, was das deutsche Volkstum schwächt und die Schutzmachtfunktion Österreichs untergräbt, ist anstre- benswert. Dies vereint Linke wie Rechte. Somit hat sich hierzulande nicht viel geändert. Panikmache bei rechten Wahlsiegen ist daher genauso unangebracht wie naiver Jubel bei linken Wahlsiegen: Jede römische Regierung möchte „ihre Deutschen“ an der Nordgrenze liebend gerne zu braven Italienern ummodeln.

Das Gebot der Stunde: keine Panik, aber Wachsamkeit

Andererseits ist stets Wachsamkeit geboten, denn „eine Minderheit tanzt immer auf dünnem Eis“, wie es der Chefredakteur der Tageszeitung Dolomiten,  Dr.  Toni  Ebner,  einmal so treffend ausdrückte. Es sind dem Land weise, standhafte Führungspersönlichkeiten zu wünschen, die den kommenden Herausforderungen gewachsen sind. Daß sich diese unter dem derzeitigen Führungspersonal der völlig zerstrittenen Südtiroler Volkspartei (SVP) finden, darf allerdings bezweifelt werden. Viel eher geben hier andere Initiativen Anlaß zur Hoffnung: so der Schützenbund, seit jeher Südtirols wichtigster patriotischer Faktor, der aus einer Führungskrise gestärkt hervorgegangen ist und mit beeindruckenden Massenveranstaltungen seine tausenden Mitglieder zu mobilisieren weiß.

Wie dieser Tanz Südtirols auf dem dünnen Eis ausgehen wird, ob es ein beschwingter Walzer mit Frau Meloni oder eher ein heißer Säbeltanz gegen römische Zumutungen sein wird, kann man noch nicht abschätzen. Es verspricht aber, interessant zu werden.

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