Geburtstag eines „unverbesserlichen Optimisten“
von Christoph Bathelt
Niemand kennt heute mehr „Hersch Kohn“, der vor 135 Jahren am 15. August 1888 zur Welt kam.Doch selbst Nachgeborenen sind entweder dessen Lieder oder zumindest Passagen daraus wie „Schön ist so ein Ringelspiel! Das is a Hetz und kost net viel“ bekannt. Die Rede ist von jenem Wiener Klavierhumoristen, der als Hermann Leopoldi zu bleibendem Ruhm kam und zu einem der populärsten Vortragskünstler seiner Zeit wurde. In seinen Texten wie „Warum spielt bei den Schinkenfleckerln allerweil das Fleisch Versteckerln?“ oder „Am besten hat’s ein Fixangestellter“ konnten sich viele Zuhörer in den damaligen wirtschaftlich schweren Zeiten wiederfinden.
Die Musik wurde Leopoldi in die Wiege gelegt, welche ungeachtet seines Liedes I bin a Hütteldorf-Hackinger in Gaudenzdorf stand, heute ein Teil von Wien-Meidling. Sein Vater Leopold Kohn, der 1911 den Familiennamen auf seinen Künstlernamen Leopoldi änderte, war selbst Musiker und spielte zehn Instrumente. Er brachte seinen beiden Söhnen das Klavierspielen bei und vermittelte ihnen erste Engagements als Klavierbegleiter. Hermann begann als Kapellmeister und Barpianist, entwickelte sich dann aber immer mehr zum Klavierhumoristen, was ihm während des Ersten Weltkrieges bei Auftritten in Frontvarietés erste Popularität einbrachte – 1916 hatte er in diesem Zusammenhang seine Premiere im Ronacher. Leopoldis Erfolg setzte sich auch nach dem Zusammenbruch der Monarchie fort; einer ihrer Nachfolgestaaten sorgte dann auch für einen Reim aus einem seiner bekanntesten Gassenhauer Powidltatschkerl aus der schönen Tschechoslowakei.
1922 gründete Hermann Leopoldi schließlich zusammen mit dem Conférencier Fritz Wiesenthal das Kabarett Leopoldi-Wiesenthal, kurz „L.W.“. Viele prominente Künstler der Zeit traten hier auf: Armin Berg, Hans Moser, Szöke Szakall, Max Hansen, Fritz Grünbaum, Karl Valentin und sogar der spätere Burgschauspieler Raoul Aslan. Da jedoch keiner der Beteiligten über betriebswirtschaftliche Erfahrung verfügte, mußten sie bereits drei Jahre später wieder schließen und konzentrierten sich auf Gastauftritte in Berlin, Paris, Budapest, Bukarest, Prag und Karlsbad, erschienen jedoch hauptsächlich auf Wiener Bühnen.
Mit dem Anschluß im März 1938 wurde für den Juden Leopoldi die Lage über Nacht lebensgefährlich.
In einem überfüllten Flüchtlingszug wollte er zu einem Auftritt nach Brünn; die Einreise scheiterte jedoch an der Entscheidung des tschechoslowakischen Präsidenten Beneš, die Grenzen für Flüchtlinge zu schließen. In Wien wurde Leopoldi sogleich von der Polizei zu einer „Auskunft“ abgeholt und ins Gestapogefängnis Karajangasse verbracht, danach ins Lager Dachau. Dort traf er auf seine Künstlerkollegen Fritz Grünbaum, Paul Morgan und Fritz Löhner-Beda und wurde bald darauf weiter nach Buchenwald verschleppt.
Zum Glück erhielt Leopoldi dank seiner ersten Ehefrau Eugenie ein „Affidavit“ für die Ausreise in die USA – er wurde praktisch „freigekauft“. Beim Eintreffen in New York küßte er vor lauter Erleichterung den Boden; eine Aufnahme davon ging um die Welt. Mit Schnucki, ach Schnucki! Fahr‘ ma nach Kentucky und Da wär’s halt gut, wenn man Englisch könnt scherzte er über die anfänglichen Schwierigkeiten mit der neuen Sprache, wurde aber mit Übersetzungen beliebter Lieder auch im neuen Umfeld schnell bekannt. Dabei half ihm die in Wien geborene, aber in Chicago aufgewachsene Helly Möslein, die später seine Lebensgefährtin wurde. I Am a Quiet Drinker oder A Little Café Down the Street wurden so auch in Übersee zu „Hits“.
Rückkehr und begeisterter Empfang im Nachkriegswien
Als 1947 die Einladung von Unterrichtsminister Hurdes und dem Wiener Kulturstadtrat Matejka an die Exilanten erfolgte, wieder zurückzukehren, folgten Leopoldi und Möslein gerne diesem Ruf und wurden in Wien begeistert empfangen. Beim ersten Auftritt im Konzerthaus war der Heimkehrer zu Tränen gerührt. Das Publikum riß sich um die beiden, es folgten Tourneen durch ganz Österreich, die Bundesrepublik Deutschland, die Schweiz und sogar Schweden, wo sie für die notleidenden Wiener Kinder Geld sammelten. 1955 wurde der gemeinsame Sohn Ronald geboren.
Viel zu früh allerdings forderte das anstrengende Leben seinen Tribut: Am 28. Juni 1959 verstarb Hermann Leopoldi an den Folgen eines Herzinfarktes. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 15C, Reihe 2, Nr. 18).