Heinrich Heine

Kalendarium Kandili (5)

von Mario Kandil

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht“. Wer kennt sie nicht, diese zu einem geflügelten Wort gewordenen Zeilen aus Nachtgedanken, dem letzten Gedicht aus Heinrich Heines 1844 erschienenem Zyklus Zeitgedichte? Für Heine, der als Polemiker und Spötter gefürchtet war, blieb die Rolle des Außenseiters Zeit seines Lebens prägend; sie dominierte auch sein Werk und dessen Rezeptionsgeschichte.

Vor 225. Jahren, am 13. Dezember 1797 in Düsseldorf als Harry Heine geboren, wird der Dichter, Schriftsteller und Journalist gemeinhin zur literarischen Gruppe des „Jungen Deutschland“ gerechnet. Von diesem ist einzig Heine „unsterblich“. Er, dem das Dichten leicht fiel, konnte sich zu Geschmacklosigkeiten hinreißen lassen, bewies aber besonders am Ende seines Lebens, das ihm als Künstler Aufgetragene treu zu erfüllen: Als er, sechs Jahre lang auf dem Krankenbett von Rückenmarkschwindsucht in langsamer, qualvoller Weise verzehrt wurde und dennoch seine glänzendste Prosa schrieb, seine am meisten in die Tiefe gehenden, ebenso traurigen wie schönen Gedichte.

Als Jude aus dem Rheinland kam er nach der Julirevolution 1830 nach Paris und blieb dort bis zu seinem Tod. Da er von Gedichten nicht leben konnte, verdiente er sein Geld vor allem als Journalist, als Verfasser von Pariser Tages- oder Wochenberichten, die in der liberalen „Augsburger Allgemeinen“ erschienen. Er interpretierte darüber hinaus für das französische Publikum deutsche Literatur und Philosophie. Heine hat die deutsche Prosa aufgelockert, sie reicher und mit einem Schlag modern gemacht.

Heinrich Heine war als Sozialkritiker sehr stark von der Lehre des französischen Schriftstellers Saint-Simon beeinflußt  – einem der frühesten modernen Sozialisten, der einen optimistischen Glauben an die Zukunft der Menschheit besaß. Ganz in diesem Sinne verspottete Heine die asketischen, lediglich auf eine ferne Zukunft vertröstenden Lehren der katholischen Kirche, indem er u. a. schrieb: „Ein neues Lied, ein besseres Lied, / O Freunde, will ich Euch dichten“. Er sprach in seinen Artikeln bereits zu einer Zeit vom Kommunismus, als sich nur die wenigsten damit beschäftigten.

In Heines Vita findet sich jene Gebrochenheit, jener „Weltriß“ wieder, der das Charakteristikum seiner Epoche war. Sein Werk, das reich an leicht Gereimtem ist, kündigte jene Krise des Abendlands an, die rund 100 Jahre später überaus blutiger Ernst werden sollte. Auch darin zeigte sich Heine als Visionär.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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