Begegnungen am Weg (3)
von Ronald F. Schwarzer, Impresario, Waldgänger & Partisan der Schönheit
Daß Neusprech und Zensur nun auch in die Welt der Gastronomie eingezogen sind, fiel mir schon vor einiger Zeit auf, als ich bei Plachutta in der Wollzeile den beliebten Luegertopf auf der Speisekarte vermißte und verwundert den Kellner danach fragte. „Luegertopf dürf’ ma nimmer sagen“, gab er verschüchtert zurück, „das heißt jetzt gemischtes Rindfleisch!“. Dabei blickte er geradezu ängstlich aus dem Fenster hinüber zum Denkmal des bedeutendsten Bürgermeisters der einstigen Reichs-, Haupt- und Residenzstadt, das von den wackeren Prätorianern des Zeitgeistes ungestraft besudelt wurde. Vielleicht fürchtete der Prinzipal ja auch ein Rollkommando der widerständigen Jugend, das sein Lokal stürmen könnte, auf daß ihm alle seine Luegertöpfe um die Ohren flögen.
Nun gut, Plachutta in der Wollzeile, das ist ein Frontlokal, gleich am Aufmarschplatz der spätpubertären Antifaschisten, die sich die Zehrung all dort ohnehin nicht leisten könnten und also als Neidgenossen die Gaststätte im Visier haben; die Gaststätte, die ihren Hauptumsatz mit toter Kuh, gesotten und gebraten, macht, und wo tiermordlüsterne Bourgeois unethisch sich die Wohlstandsbäuche vollschlagen. Hohn, Spott und Provokation für jeden achtsamen Veganer und ein Verbrechen am Klima! So hatte ich Verständnis, zumal die Angst als steter Begleiter des Bürgertums die Wirtsleute fest an der Hand hält und ich doch ob der erlesenen Qualität recht gern hier einkehre. Der Kellner und ich verstehen einander, ich gebrauche das L-Wort und erhalte das Gewohnte.
In meinem Stammlokal aber hat mich die neue gastronomische Korrektheit dann doch sehr verwundert. Eine gutbürgerliche Gastwirtschaft in der Vorstadt, gleich um die Ecke vom Ferdinandihof. Meist halte ich hier Mittagstisch, und gerne lade ich ausländische Geschäftsfreunde hierher ein, wenn es nicht allzu prätentiös zu sein braucht. So kam ich kürzlich mit einem Württembergischen Kaufmann vorbei, dem ich mit dem nicht geringen Stolz des Lokalpatrioten die Speisekarte mit all ihren lieben Austriazismen erklärte.
Bei der Dessertkarte stockte ich plötzlich: „Lauwarmer Altwiener Nußkuchen“ stand da zu lesen. „Was wär’ denn das?“, fragte ich beim Ober nach. Der hatte die Frage wohl nicht zum ersten Mal gehört, und so gab er routiniert und leicht enerviert zurück: „Des is a Mohr im Hemd, oba a Nega is kumman und hot se aufg’regt!“.