von Caroline Sommerfeld
Der Krieg war verloren, der von je zu aufnahmewillige Deutsche öffnete weit seine Tore. Dreiviertel der Bundesrepublik wurden von englischsprechenden Truppen besetzt; (…) dazu kam das Gefühl, daß die angloamerikanischen Sieger bald von Feinden zu Beschützern und Freunden wurden, daß man es hier mit einer jugendlichen und sehr artverwandten Weltmacht zu tun hatte. Kein Wunder, daß eine Sturmflut des Angloamerikanischen hereinbrach“. So schildert „Der Wustmann“ 1966 die Lage der Nation.
Gustav Wustmanns 1903 zum ersten Mal erschienenes Buch Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen ist seitdem vierzehn Mal neu aufgelegt und nach Wustmanns Tod von Werner Schulze herausgegeben worden.
In den 60er Jahren blickte man im Vergleich zu heute auf eine recht überschaubare Anzahl von englischen Neuwörtern. „Der Wustmann“ nennt etwa Babysitter, Swimming Pool, Camping, Trip, Run, Supermarkt, Festival, Fan, Trend, Hobby.
Es gibt einen hörenswerten kurzen Podcast der Duden-Redaktion zu unserem Thema. Das Wort „Podcast“ hörte ich übrigens zum ersten Mal 2006. Dieses häßliche Kompositum setzt sich zusammen aus der Markenbezeichnung „IPod“ für einen tragbaren Musikrekorder und dem englischen to broadcast, dt. „senden“. Der Umstand, daß ich „Podcast“ oben nicht in Anführungsstriche gesetzt oder kursiv geschrieben habe, weist darauf hin, daß das Wort bereits im Deutschen als Fremdwort lexikalisiert ist. Daß es im vorhergehenden Satz sehr wohl in Anführungsstrichen steht, ist dem Umstand geschuldet, daß ich hier das Wort meine und nicht den bezeichneten Gegenstand.
Kategorien der Sprachinvasion
Nun aber zum Inhalt des erwähnten Podcasts. Es gibt unter den Anglizismen, also den Entlehnungen aus dem Englischen in der deutschen Sprache, zunächst direkte Übernahmen: „Job“, „Hobby“, „E-Mail“ oder „Skateboard“. Hier sind in den meisten Fällen die Wörter zusammen mit den von ihnen bezeichneten Gegenständen eingewandert.
Sodann gibt es Lehnübersetzungen, die wörtlich übersetzt worden sind. Interessanterweise nennen die Autoren des Podcasts hier ausgerechnet zwei ideologische Schauderhaftigkeiten aus dem Reich des Großen Bruders, nämlich „Gehirnwäsche“ (von brainwashing) und „Geburtenkontrolle“ (von birth control). Die Lehnübersetzungen bergen allerdings auch Gefahren rein sprachlicher Natur: Die weitverbreitete Floskel „Es macht Sinn“ (von it makes sense), aber auch die oft verwendeten Fügungen „nicht wirklich“ (von not really) und vor allem „einmal mehr“ (von once more) sind schlicht und einfach falsches Deutsch. Lehnübertragungen wiederum sind freie Übersetzungen – so wurde aus sky scraper der „Wolkenkratzer“ und nicht etwa der wörtliche „Himmelskratzer“.
Manch überflüssige Anglizismen haben wir uns, so die Autoren, als sogenannte Scheinentlehnungen oder false friends – der Leser möge sich an meine Gallizismen-Kolumne erinnern – selbst eingebrockt: „Handy“, „Showmaster“ und „Service Point“ gibt es weder im britischen noch im US-amerikanischen Englisch.
Schleichende Bedeutungsumkehr
Das Wort „Influencer“ wurde zum Anglizismus des Jahres 2017 gekürt (2021 übrigens „boostern“). In meinem dicken Chambers Dictionary von 1994 findet sich „to influence“, und zwar mit keinesfalls sonderlich positiver Konnotation; die Bedeutung geht in Richtung unbewußt steuern, okkulte Macht über jemanden ausüben, jemandem Vorteile sichern, jemandes Persönlichkeit verändern. Das nomen agentis „the influencer“ ist nicht verzeichnet.
Wie kommt es, daß dieser Tage die Jugend begeistert den – meistens von Firmen gekauften – Influencern in den sogenannten „Sozialen Medien“ hinterherrennt und das Wort mit vollkommen positiver Bedeutung verwendet? Neben „Youtuber“ und „Pro-Gamer“ – also Berufscomputerspieler – ist „InfluencerIn“ einer der meistgeäußerten Berufswünsche jüngerer Jugendlicher.
Es handelt sich also vordergründig um ein Modewort, im Hintergrund wirken aber andere Mechanismen: Die negative Bedeutung wurde umgekehrt. Für die anglizismenaffine Jugend von heute ist es no problem und gehört zum new normal, daß solche Leute sie beeinflussen, über sie Macht ausüben und Konzernen hörig sind. „Gehirnwäsche“ heißt wohl das entsprechende Lehnwort.