Vor 75 Jahren starb Börries Freiherr von Münchhausen
Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen (1874-1945) entstammte einer alten, wohlbekannten Familie des norddeutschen Adels, die vor allem durch das Erzähltalent des Hieronymus von Münchhausen (1720-1797), des sogenannten „Lügenbarons‟, weltberühmt wurde. Er selbst widmete sich in seinem literarischen Schaffen vorwiegend dem Gedicht und der Ballade, schrieb aber auch Theaterstücke.
Ein Beitrag von Hermann T. Attinghaus
Börries von Münchhausen darf sich der zweifelhaften Ehre erfreuen, von der Online-Enzyklopädie Wikipedia ausführlichst behandelt zu werden. Schon die ersten Sätze des betreffenden Eintrags verraten deutlich genug, zu welchem Ziel dies geschieht: Ein deutschbewußter Dichter soll posthum vernichtet werden, denn schließlich sei er Antisemit gewesen. Diese Behauptung allein genügt schon, um ihm jede Daseinsberechtigung im zeitgenössischen Literaturbetrieb abzusprechen. Er stand der „völkischen Bewegung“ nahe und gründete darüber hinaus auch noch die elitäre (!) Deutsche Dichterakademie. Allein diese dürren (und sträflich vereinfachenden) Feststellungen genügen politisch korrekten Zeitgenossen, die Finger von Münchhausens Büchern zu lassen, denn ein solcherart charakterisierter Unmensch kann ja gar nichts Gutes, Lesenswertes hervorgebracht haben. So einfach ist die Logik der halbgebildeten Gutmenschen. Wer sich die Mühe macht, sich mit Münchhausen ehrlich und vorurteilsfrei auseinanderzusetzen, wird bald zu einem anderen, weil differenzierten Ergebnis kommen. Das Leben Börries von Münchhausens ist rasch erzählt. Geboren wurde er am 20. März 1874 in Hildesheim als ältester Sohn des Kammerherrn Börries von Münchhausen-Moringen. Seine Kindheit verbrachte er auf Gütern seiner Eltern. Nach dem Abi-tur, das er in Hannover am späteren Goethegymnasium ablegte, studierte er u. a. in Heidelberg und Göttingen; 1899 wurde er in Leipzig zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert.
Im Gardereiter-Regiment
Im Ersten Weltkrieg diente Münchhausen zunächst als Oberleutnant im Königlich Sächsischen Garde-Reiter-Regiment, ehe er 1916 in die Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung wechselte. Dort arbeitete er u. a. mit Waldemar Bonsels (1880 – 1952), Hans Grimm (1875 – 1959) und Friedrich Gundolf (1880 – 1931) zusammen. Nach dem Ende des Krieges lebte er mit seiner Frau Anna von Breitenbuch, die er 1902 geheiratet hatte, auf seinem Gut Windischleuba bei Altenburg in Thüringen.
Vortragsreisen für Aristokraten
Ab 1909 stand er zwar im Dienst der Herzogin Adelheid von Sachsen-Altenburg, mußte aber keinem Brotberuf nachgehen. Zudem ließ ihm diese Stellung ausreichend Zeit, Vortragsreisen für Aristokraten in Europa zu unternehmen. Die Güter seines Vaters durfte er aber erst nach dessen Tod 1931 selbständig bewirtschaften. Obwohl er stets betonte, kein „Hakenkreuzler“ zu sein, erhoffte er sich doch nach Hitlers Machtübernahme Vorteile für seine Dichtung. Zwar wurde er im Mai 1933 in die Preußische Akademie der Künste berufen, aber sein Verhältnis zum Nationalsozialismus blieb in mehrfacher Hinsicht zwiespältig. Seine äußerst widersprüchliche Haltung zum Judentum in Bausch und Bogen als Antisemitismus abzuqualifizieren, ist unredlich.
Freitod der „Befreiung“ durch die Sowjets vorgezogen
Anfang 1940 zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Als sich die Alliierten Altenburg näherten, machte er am 16. März 1945 mit einer Überdosis Schlaftabletten vier Tage vor seinem 71. Geburtstag seinem Leben ein Ende – wahrscheinlich, weil er die Brutalität der sowjetischen Soldaten fürchtete.
Ersten Gedichtband noch als Student veröffentlicht
Schon als Student veröffentlichte Münchhausen seinen ersten Gedichtband, außerdem redigierte er bis 1905 den jährlich erscheinenden „Göttinger Musenalmanach“. Vehement verfocht er die Neuromantik gegen jene literarischen Strömungen, welche die Problem-atiken der unterprivilegierten Bevölkerung thematisierten.
Der Erneuerer der Ballade
Zu seiner Zeit war Münchhausen einer der meistgelesenen und vertonten Dichter seiner Zeit. Nach eigener Einschätzung war er ein Dichter des Adels, der – angeregt von Fontane und Strachwitz – die „höfisch vornehme Dichtungsart des Königskindes der deutschen Dichtung“, wie er die Ballade nannte, erneuerte.
Vom „Hunnenzug“ bis zur „Lederhosensaga“
Zu seinen besten Dichtungen gehören z. B. der „Hunnenzug“ (1893), „Bauernaufstand“ (1899), die „Lederhosensaga“ (1908) sowie die „Ballade vom Brennesselbusch‟ (1910). Bis vor wenigen Jahrzehnten gehörten seine dramatischen Gedichte zum festen Bestandteil des Literaturkanons an den Höheren Schulen deutschsprachiger Länder. Heute wird er meistens totgeschwiegen oder schändlich verunglimpft.
