***ECKART-Adventkalender***
Eine Weihnachtsgeschichte von Konrad Windisch
Wir sangen die Weihnachtslieder abends, um den Tisch, und eine Kerze brannte. Und einige Lieder gab es, die durfte man nicht anstimmen: „Dieses erst am Heiligen Abend.“ Sicher kommt es davon, daß mir bei einigen dieser Lieder unverschämterweise auch heute noch die Tränen kommen. Und auch die Wut, wenn ich sie abgeleiert in Kaufhäusern höre. Ob es die Kinder heute glücklich macht? Natürlich freuen sie sich auf den „brennenden Christbaum” zu Hause. Natürlich. Aber ob nicht das eine oder das andere dabei denkt: „No, der Christbaum vorne an der Ecke bei der Schule ist aber schon größer!”
Nichts gegen die Werbung. Wer wirtschaftlich denkt, wird sie begrüßen, und wer kann es sich heute erlauben, nicht wirtschaftlich zu denken? Ohne Werbung kein Umsatz, ohne Umsatz kein Wohlstand. Richtig. Aber nun reden wir ja von der Freude. Vielleicht sollte man die Weihnachtswerbung zeitlich beschränken ~ man tut’s ja auch bei Wahlkämpfen. Als ich Kind war, wußte ich, daß der „Krampus kommt“, wenn die Auslagen rot dekoriert waren. Und daß nachher bald das „Christkind“ kommt. Und freute mich darauf. Nicht nur die Kinder freuten sich – es war ein gemeinsames Freuen und nicht einmal etwas Religiöses.
Es war die Freude auf die Freude.
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Eines der seltsamsten Produkte sind jene Schokolade-Weihnachtsmänner, die anschließend (oder vorher) Osterhasen werden (oder waren). Nur das Stanniol verändert sich. Ein typisches Produkt finde ich und sicher zweckmäßig, praktisch und kostensparend. Nur – welches Kind freut sich über einen Weihnachtsmann, der sich beim Auspacken als Osterhase entpuppt? Oder welches Kind bemerkt das nicht eines Tages? Kinder sind nicht dumm. Sehr oft sind sie klüger und oft auch gescheiter als Erwachsene.
Wie war das? Am Morgen wieder ein Fenster des Adventkalenders öffnen, wieder ein Tag näher! Einkaufen mitgehen und die Neuigkeiten in den Schachteln bewundern oder durch den grauen Morgen zur Schule stolpern, verschlafen, die Wärme in der Klasse spüren und den Schulweg nicht mehr so schrecklich finden, wo doch jeder Tag, jeder vergangene Tag wieder ein Tag näher ist. Nachmittags das frühe Dämmern vor den Fenstern sehen, darauf warten, bis man mitgenommen wird durch die Straßen, vorbei an den Auslagen hinaus zum Stadtrand. Dort, wo der Park liegt und
dahinter die Allee und dann schon der Wald. Von wo die Freude herkommen wird, die ganz große. Oder beim Ofen sitzen und jemand liest vor. Märchen, Geschichten. Oder zuhören, wie die Großen von ihren Weihnachten erzählen, die weit zurückliegen, so weit, daß es gar nicht mehr vorstellbar ist. Mit offenen Ohren und Augen zuhören, wie die Älteren miteinander reden, wie sie von damals reden.
Das gab’s. Ich weiß, es klingt wie ein Märchen. Nein? Das gibt’s doch jetzt auch? Ja, natürlich – nur – ehrlich sein! – wie ist das denn bei Ihnen? Wie oft sitzen Sie denn mit Ihren Kindern, Ihren Enkeln vor der Zentralheizung und lesen ihnen Märchen vor oder erzählen ihnen von den Weihnachten, die einmal waren? Wie oft gehen Sie denn allein oder mit Freunden oder mit Kindern langsam durch die Straßen, am dunklen Park vorbei zum Rand des Waldes, wo die große Freude herkommt? Ohne „unterwegs noch schnell etwas zu erledigen“. Ganz langsam, ohne Termin und sei es ein „Zeit-im-Bild-Termin“. Ein bißchen sentimental, ein bißchen losgelöst, angesteckt von der Freude eines anderen, die nichts mit Geschenken zu tun hat, die er sich bereits gekauft hat. Wie oft denn? Jetzt, zu Weihnachten?
Oft?
Schön. Ich glaub’s Ihnen.
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„Als man sich auf Weihnachten noch freuen konnte“, Teil 1 – HIER weiterlesen.
„Als man sich auf Weihnachten noch freuen konnte“, Teil 3 – HIER weiterlesen.
