Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Der mehrfach ausgezeichnete „Blumenstraußchor“ aus Harast/Dunaharaszti.
Foto: Der ECKART

Die Ungarndeutschen heute

Sprachpflege und Bildungseinrichtungen der Deutschen in Ungarn

In Ungarn leben zwischen 150.000 und 200.000 Menschen deutscher Abstammung, die sogenannten Ungarndeutschen oder Donauschwaben. Laut der Volkszählung von 2011 – die nächste findet 2021 statt – sprechen noch 96.000 zu Hause Deutsch.

Ein Beitrag von Christoph Bathelt

Die Beurteilung der Situation ist nicht immer eindeutig, und es kommt darauf an, wen man fragt. Aber verglichen mit der Situation in anderen Ländern geht es den 13 anerkannten Minderheiten Ungarns, die rund 10% der Bevölkerung darstellen, gut. 2013 beschloß die Regierung Orbán eine Änderung des Wahlgesetzes, dessen Procedere zwar etwas kompliziert ist, aber dazu führte, daß mit Emmerich Ritter 2018 ein eigener Abgeordneter für die ungarndeutsche Minderheit ins Parlament einziehen konnte. Seit der Wende vor 30 Jahren identifizieren sich immer mehr Menschen mit ihrem Familienerbe, wie sich bei den bereits erwähnten Volkszählungen zeigt. Immer mehr Bildungsorganisationen werden von der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen (LdU) in Eigenregie übernommen, wie z.B. das Valeria-Koch-Gymnasium in Fünfkirchen/Pécs (Südungarn), das Deutsche Nationalitätengymnasium in Budapest und das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Werischwar/Pilisvörösvár bei Budapest.

Wichtige Bildungseinrichtungen

Das Fünfkirchner Bildungszentrum zeichnet sich durch einsprachige deutsche Kindergartengruppen besonders aus, seine frühere Direktorin, Ibolya Hock-Englender, ist seit letztem Jahr die Vorsitzende der LdU. Hervorzuheben ist auch das Ungarndeutsche Bildungszentrum (UBZ) in Baja, an dem die LdU ebenfalls beteiligt ist. Während es vor zehn Jahren landesweit nur zwölf Bildungseinrichtungen, meist in der Trägerschaft von örtlichen Selbstverwaltungen waren, sind es zehn Jahre später 91! Weitere wichtige Institutionen sind das Ungarndeutsche Pädagogische Institut und das Ungarndeutsche Kultur- und Informationszentrum sowie das Haus der Ungarndeutschen in Budapest, in welchem z.B. die wöchentliche „Neue Zeitung“ der Ungarndeutschen ihren Sitz hat. Zweites wichtiges Medium ist das „Sonntagsblatt“ der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft in Wudersch/Budaörs, eines privaten Vereins, der sich sehr für das Bestehen der ungarndeutschen Muttersprache(n) und Identität engagiert.

Deutsche Ortsnamen präsent

Eine auch für Auswärtige sehr interessante Initiative sind die „Lehrpfade“, die in immer mehr Gemeinden über bestimmte identitätsstiftende Traditionen oder Besonderheiten anhand von Schautafeln und Installationen informieren. Auch die deutschen Ortsnamen sind ein wichtiges Zeichen. Manche tun es als „Alibipolitik“ ab, aber für andere ist es beeindruckend, wie hoch der Bekanntheitsgrad selbst kleiner Dörfer wie Nadasch, Tscholnok oder Schaumar in ganz Ungarn ist und trägt zu einer Revitalisierung der Gemeinschaft bei. 2013 stimmte das ungarische Parlament für einen nationalen Gedenktag der Vertreibung der Ungarndeutschen 1945, um an das „dunkle Kapitel unserer gemeinsamen Geschichte“ zu erinnern. „Die heutige Regierung von Ungarn, die den Schmerz einer getrennten Nation kennt, setzt sich dafür ein, dieses Trauma zu lindern und die Wunden zu heilen“, hieß es in der damaligen Regierungserklärung. Denn trotz allem waren die Ungarndeutschen stets Patrioten: Sie waren die einzigen, die bei der Vertreibung auf die Viehwaggons der Transporte die ungarische Flagge steckten mit der Aufschrift: „Gott segne unsere Heimat, leb wohl!“

Mundart, ja – aber welche?

Dies alles steht im Widerspruch zu der Tatsache, daß die Sprachkompetenz sehr bedroht ist: Die Großelterngeneration, die noch natürlich damit aufgewachsen ist, schwindet, und die Kinder und Enkelkinder beherrschen die lokale Mundart nicht oder mangelhaft. Dabei stellt sich eine interessante Frage: „Welches Deutsch soll im Sprachunterricht unterrichtet werden?“ Normaler Fremdsprachenunterricht ohne Bezüge zur lokalen Kultur und Tradition ist nicht ausreichend.
Es liegt auf der Hand, daß nicht jeder Dorfdialekt der sehr unterschiedlichen Mundarten in Ungarn erhalten werden kann, und die bundesdeutsche Standardsprache kann es auch nicht sein. Das österreichische Deutsch vielleicht? Dabei kamen die Vorfahren der Donauschwaben teilweise aus Hessen oder Franken und haben die Besonderheiten der dortigen Idiome mitgebracht. Hier liegt also eine der Herausforderungen für den Unterricht.
Ein Hauptaugenmerk gilt der Kindergärtneraus- und weiterbildung: Vor allem in Gemeinden, in denen die deutsche Sprache nicht mehr natürlich in Familien weitergegeben wird, kann mit einsprachigen Kindergärten und Schulen entgegengesteuert werden. Hier tritt nun der Mangel an einer ausreichenden Zahl von muttersprachlichen Lehrern in allen Fachbereichen zutage, denn nur mit ein paar Schulstunden ist es nicht getan, hier braucht es dringend Hilfe auch von außerhalb. Die Österreichische Landsmannschaft engagiert sich in diesem Bereich seit über 30 Jahren und freut sich über weitere Unterstützung!

Ungarn fördert großzügig

Die ungarische Regierung hat neben einigen anderen Programmen die Zuschüsse für Nationalitätenpädagogen ab dem 1. 1. 2020 um 40% erhöht, was eine Gehaltserhöhung um 81.000 Forint im Monat bedeutet. Insgesamt bekommen die 4.000 Kindergärtnerinnen und Lehrkräfte um drei Milliarden Forint mehr Zuschüsse als noch vor drei Jahren. Auch die steigende Zahl der Stipendienempfänger in den relevanten Studienfächern ist ein gutes Zeichen. Für den ungarischen Staat ist die Sprachförderung eine lohnende Investition, zeigt sie doch den Nachbarstaaten, wie man sich erfolgreiche Minderheitenpolitik wünscht und wie man die ungarischen Minderheiten behandelt wissen möchte. Und für die große Politik ist eine solide Deutschkompetenz, besonders im EU-Bereich, wichtig, erst recht in Nach-Brexit-Zeiten, zumal Deutsch die am meisten gesprochene Sprache Europas ist. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß viele Initiativen und Projekte versuchen, die deutsche Minderheit in Ungarn für das 21. Jahrhundert gut aufzustellen. Wunder können sie alle nicht bewirken, aber der Gemeinschaftssinn und der Pioniergeist der alten Siedler hat sich immer wieder bewährt – hoffen wir das Beste!

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