Buch ermöglicht interessante Einblicke
Im Buch „Inside türkis“ analysiert Klaus Knittelfelder Sebastian Kurz und seinen „inneren Kreis“. Das Werk beschreibt, wie es der machtbewußte Maturant mit seinen auf Loyalität eingeschworenen Getreuen in zehn Jahren vom Nobody zum jüngsten Regierungschef der Welt schaffte. Ein günstiger Wind der Geschichte bescherte Kurz zusätzlich eine angeblich globale Seuche, die ihm die Chance bot, sich als Vaterlandsretter zu profilieren.
Ein Beitrag von Bernd Stracke
Das erste Kapitel widmet der Autor den drei „politischen Lebensgefährten“ des Kanzlers: Stefan Steiner, die zentrale Figur im türkisen Universum, stecke hinter der türkisen Migrationspolitik. Der Lehrersohn, dessen Eltern am katholischen St.-Georgs-Kolleg in Istanbul unterrichteten, ist studierter Völkerrechtler. An Steiner, der Kurz „weltanschaulich extrem ähnlich“ sei, werde sichtbar, daß es sich bei den Türkisen „nicht um opportunistische Bobos, sondern teilweise um stramme Konservative“ handle, die sich aber lieber als Liberale bezeichnen.
Den Ex-Rocksänger Gerald Fleischmann stellt der Autor als „obersten Spin-Doktor des Kanzlers“ vor. Er ist mitverantwortlich für millionenschwere „Medienhilfspakete“, „Sondermedienförderungen“ und gigantische Inseratenkampagnen – Kritiker sprechen von Bestechung und Meinungskauf.
Wie Kurz ebenfalls Studienabbrecher, sei Axel Melchior der Mann, der „den Laden schmeißt“. Noch zu Mitterlehners Zeiten habe Melchior sukzessive die Kabinette türkis eingefärbt.
Bernhard Bonelli: Kurz’ rechte Hand hat Opus-Dei-Bezug
Bernhard Bonelli sei quasi die rechte Hand von Kurz. Er koordinierte den Regierungspakt mit den Grünen und den Corona-Lockdown. Sein Masterstudium habe Bonelli an der von Opus Dei geführten Navarra-Universität in Barcelona absolviert. Seit einer Israelreise trage er ein Jerusalem-Fünffachkreuz (die Kreuzigungswunden Christi symbolisierend) um den Hals. Johannes Frischmann orchestriert den Außenauftritt des Kanzlers. Dazu benötigt seine Kommunikationsmaschinerie allein in der Regierung mehr als 20 PR-Leute – plus die Medienabteilungen in Parlamentsklub und Partei.
Der Unternehmensberater Markus Gstöttner deckt die Wirtschaftspolitik bis hin zum Corona-Milliarden-Hilfspaket ab. Sein Freundeskreis besteht zum Großteil aus Priestern, er habe auch eine Einkehr im Stift Heiligenkreuz zelebriert.
Arno Melicharek, der „Schredder-Mann“ im Kanzleramt
Auffallend flüchtig behandelt Knittelfelder des Kanzlers Social-Media-Chef und „Schredder-Mann“ Arno Melicharek, der bekanntlich 2019 unter falschem Namen fünf Festplatten vernichtet hatte. Jetzt scheint eine Spur direkt zum Kanzler zu führen. Aktuell leitet Melicharek im Kurz-Kabinett das Referat 1/1/c (Besuchermanagement). Selbst Insider wunderten sich, daß bei den Wahlen 2013 nicht der damals strahlende Heinz-Christian Strache die Vorzugsstimmen-Hitparade anführte, sondern – mit über 35.000 – Sebastian Kurz.
Kurz wie ein Karnickel aus dem Zylinder gezaubert
Für Knittelfelder verdankte der JVP-Chef diese Sensation seinem Marketing-Guru Philipp Maderthaner. Der habe rund um Kurz eine „Bewegung“ aufgebaut. Neben offensivem Facebook-Marketing habe die Truppe auf der Straße Unterstützer und massenhaft e-Mail-Adressen gekeilt. Kristina Rausch, 28, ist Online-Chefredakteurin und Schulfreundin des Kanzlers. Auf ihrem iPhone läuft der gesamte Inhalt der Internetseiten des Kanzlers zusammen. Zu einer Million Fans auf der Kurz-Facebook-Seite kommen noch 400.000 Twitter-Follower und über 300.000 Instagram-Abonnenten. Bettina Rausch, Kristinas jüngste Schwester, stellt Knittelfelder als „Kurz-Intima“ und eiserne VP-Personalreserve vor. Carina Rausch, die Mittlere im Dreimäderlhaus, leitet das Alois-Mock-Institut, dessen Präsident der Kurz-Vertraute Wolfgang Sobotka ist.
Während sich der Autor über die Genannten 146 Seiten lang ausläßt, reichen magere 51 Seiten für den Rest seines Teams, nämlich Gernot Blümel, August Wöginger, Karl Nehammer, Wolfgang Sobotka, Harald Mahrer, Elisabeth Köstinger und Johanna Mikl-Leitner, Alexander Schallenberg, Margarete Schramböck, Heinz Faßmann, Susanne Raab, Christine Aschbacher und die (Möchtegern-)Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Europaministerin Karoline Edtstadler kommt im Buch überhaupt nicht vor.
Merkwürdiges „Familienleben“
Über das Familienleben von Kurz ist in „Inside Türkis“ nichts zu erfahren: Des Kanzlers Lebensgefährtin Susanne Thier wird lediglich zweimal, jeweils in einem Halbsatz, erwähnt. Das Boulevardblatt „News“ weiß da mehr: Thier, 33, kinderlos, sei des Kanzlers „Lebensgefährtin seit seiner Schulzeit“, habe Wirtschaftspädagogik studiert und arbeite als Kommissärin in der PR-Abteilung des Finanzministeriums. Sie begleite Kurz nur zu offiziellen Anlässen wie zum Opernball und zu den Salzburger Festspielen. Das Paar lebe in einer 65-Quadratmeter-Wohnung in Wien-Meidling. Heirat und Kinder seien „vielleicht irgendwann in ferner Zukunft“ geplant. Das Paar habe wenig Zeit füreinander.Vom verhafteten Wirecard-Vorstand Markus Braun, den Kurz als Experten in seine Denkfabrik „Think Austria“ geholt hatte, will der Teflon-Kanzler heute freilich nichts mehr wissen. Knittelfelder erwähnt den mutmaßlichen Milliardenbetrüger mit keinem Wort.
Knittelfelder läßt einiges weg
Ebensowenig wie den Szenewirt und Kanzler-Du-Freund Martin Ho, in dessen Szenelokal eine drogenverhangene „Corona-Party“ stattgefunden haben soll. Zudem wurden Rechnungen öffentlich, die auf Mehrwertsteuermogeleien schließen lassen. Im Buch ebenfalls mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt wird der „Krone“-Miteigentümer und Milliardär René Benko. Für Geschäftsvorgänge, die Benkos angeschlagenen Kika-Leiner-Konzern vor der Pleite retten sollten, war Kurz zweimal „behilflich“: Er ließ eigens das zuständige Bezirksgericht aufsperren und einen leitenden Beamten vom Urlaub zurückholen. Kurz rechtfertigte seine Einteilung in „gleiche“ und „gleichere“ Österreicher damit, daß seine Regierung für eine „serviceorientierte Verwaltung“ stehe.
Sebastian Kurz und George Soros
Kaum anzunehmen ist, daß Knittelfelder beim Auflisten der Kurz-Netzwerke auf den wohl wichtigsten globalen Kontaktmann vergessen hat: George Soros… 2018 empfing Kurz den Milliardär im Bundeskanzleramt, um mit ihm über die Übersiedlung der (in Orbán-Ungarn unerwünscht gewordenen) Central European University nach Österreich zu plaudern. Fotos zeigen Kurz mit George Soros und dessen Sohn Alexander, der im Internet jeweils als Vorstandsmitglied der Open Society Foundation seines Vaters, des Jewish Funds for Justice (etwa: Jüdische Stiftung für Gerechtigkeit) und der internationalen NGO „Global Witness“ (etwa: Weltweite Zeugenschaft) aufscheint, die vorgibt, gegen Armut und Korruption sowie für Menschenrechte zu kämpfen. Als 2015 die „Flüchtlingskrise“ hereinbrach, war Kurz noch glühender Befürworter der Masseneinwanderung und bezeichnete Zuwanderer als „höher qualifiziert als Einheimische“. Unter dem Eindruck massiver FPÖ-Wahlerfolge und immer schlechterer ÖVP-Prognosen schwenkte Kurz auf eine Law-and-Order-Position um. Eine Erklärung für diese Wende könnte seine Mitgliedschaft beim European Council on Foreign Relations (Europäischer Rat für Außenbeziehungen, ECFR) geben. Der ECFR-Gründer heißt George Soros.
