von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (20)
Es gab Zeiten, da war „Der Brockhaus“ noch eine fast unumgängliche Institution. Die Enzyklopädie ist ein mehrbändiges Nachschlagewerk deutscher Sprache und hatte seinen ersten Vorläufer in dem Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten, das Renatus Gotthelf Löbel und Christian Wilhelm Franke 1796-1808 begründeten. Das Verlagsrecht daran und die Vorräte desselben erwarb im Rahmen der Leipziger Buchmesse 1808 der am 4. Mai 1772 in Dortmund geborene Verleger Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Todestag jährt sich am 20. August zum 200. Mal.
Zunächst Teilhaber eines Dortmunder Unternehmens für den Großhandel mit englischen Manufakturwaren machte sich Brockhaus 1802 in Amsterdam selbständig. Napoleons Wirtschaftskrieg gegen England machte Brockhaus’ Betätigung als Tuchhändler zunichte und ließ ihn in den Buchhandel einsteigen. Glänzend verstand es Brockhaus, die kulturellen Aufgaben des Buches mit finanziell lohnendem Gewinn in Einklang zu bringen; Leipzig war der Ort, an dem er sein Unternehmen auszubauen vermochte.
Doch gegen Brockhaus, den Außenseiter, sperrte sich der in einer Zunft organisierte Buchhandel, und so siedelte er 1810 in das thüringische Altenburg über. Mit bedeutenden Werken der Romantiker stellte er seinen Belletristikverlag auf eine sichere Basis und griff von dieser aus als Gegner Napoleons durch die Deutschen Blätter (1813-1816) in den publizistischen Kampf gegen den Korsen ein. 1817 konnte sich Brockhaus in Leipzig niederlassen und widmete sich primär der Belletristik, der Wissenschaft und der Politik im Sinne eines verlegerischen Liberalismus’. Zentrum seines Schaffens war das Konversationslexikon, „Der Brockhaus“, an dessen erfolgreicher Entwicklung er auch als Redakteur entscheidenden Anteil besaß und von dem bereits zu seinen Lebzeiten fünf Auflagen erschienen.
Mit westfälischer Ausdauer, mit Stolz und Energie, gelegentlich auch mit dem sturen Eigensinn des Westfalen hatte sich Brockhaus in unermüdlicher Arbeit ungeachtet vieler Hindernisse, Enttäuschungen und bitterer Erfahrungen, die ihm bis in seine letzten Lebensjahre nicht erspart blieben und die an ihm zehrten, in knapp 18 Jahren in die vorderste Reihe seiner Standesgenossen gekämpft. Dabei war er auch ein Streiter gegen Nachdrucke und Zensur und nicht zuletzt ein Patriot, dem die Einigung aller Deutschen bis zu seinem Tod am 20. August 1823 am Herzen lag.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.