Eine neue ECKARTSCHRIFT beschäftigt sich mit der aufstrebenden Weltmacht China
Eine Rezension von Peter Götz
Neulich habe ich von einer aufmerksamen Freundin ein schmuckes Geschenk erhalten: Eine originelle, noppenversehene Seifenschale, vermeidet das Aufweichen der Seife, handlich-praktisch, schmuck. Wo entworfen? Von fantasiereichen Japanern. Jedoch: Made in China. Nun ist längst bekannt, dass man in der Volksrepublik China im Erfinden, mehr noch im Kopieren und Produzieren Weltmeister ist, bis hin zu Gütern der Hochrüstung einschließlich Flugzeugträgern und Atomwaffen. Nichts fehlt im Arsenal der un-heimlichen Weltmacht im fernen Osten, doch produktmäßig so unheimlich nah, schier allgegenwärtig.
Wie kam es dazu, wie weit reicht der gegenwärtige chinesische Imperialismus, was ist zu erwarten – und vor allem: Was muss getan werden? Der 1986 geborene Wiener Sachbuchautor Georg Immanuel Nagel vermittelt in diesem gut gegliederten, kompetenten Büchlein stimmige Antworten. Schon das Vorwort des Autors lässt aufhorchen: „Die von China angedachte neue Großraumordnung besticht dadurch, dass bei ihr die ‚Einheit von Ordnung und Ortung‘ (Carl Schmitt) gegeben wäre, wohingegen der Westen sich in den Weiten des Globus‘ verloren hat. In Begriffen der Geopolitik spricht man hier von multipolarer Weltordnung, die vor allem von antiamerikanischen Geopolitikern wie Alexander Dugin propagiert wird, welche im Gegensatz zu der unipolaren Weltordnung der USA steht.“ Der im Titel genannte Adler steht bei Nagel allerdings weniger für die Noch-Weltmacht USA, sondern für Europa und für seinen Kernbereich der deutschsprachigen Länder.
Laotse oder Konfuzius?
So weit zurück reicht zwar nicht des Autors Darstellung der historischen Entwicklung Chinas. Doch angemerkt sei doch die polare Stellung dieser beiden in gebildeten Kreisen des Westens geschätzten Lebenslehrer. Der Mystiker Laotse aus dem 6. Jh. v. Chr. steht für den Innenweg, für eine weltüberlegende Haltung, gewissermaßen für eine chinesische Gnostik und Mystik. Konfuzius hingegen aus dem 6./5. Jh. v. Chr. mit seiner pragmatisch-wandlungsfähigen Gesellschaftslehre können wir als bestimmende Gestalt über die Jahrhunderte bis heute betrachten (Wirkungsmächtigkeit des Konfuzianismus). Wir empfinden heute längst die chinesische weltanschaulich-wirtschaftliche Expansion als geistfern, getragen von einem unheimlich wirkenden Milliardenvolk – von einer Menschenmasse, die Europas, Russlands und Nordamerikas Bevölkerungszahl übersteigt. Dazu materialistisch-kommunistisch geprägt. Und der afrikanische Kontinent? Doch dorthin griffen bereits die Krallen des Drachen. Im Buch behandelt das Unterkapitel 6.6 Afrika- Chinas neues Kolonialreich auch diese Frage schlüssig (S. 89 ff.).
Folgen der demographischen Entwicklung
In europäischen Köpfen geistert vielerorts noch Chinas frühere Ein-Kind-Politik. Die in wenigen Jahrzehnten zu einer drastischen Bevölkerungsverminderung geführt hätte. Doch das war eine ‚Täuschung. Wenn man heute von etwa 1,3 Milliarden Chinesen ausgeht, so ging da im fernen „Reich der Mitte“ insgeheim anderes vor sich. Der Autor gibt dazu die nötigen Erklärungen, beschreibt eingetretene Folgen: So „verfügt China über mehr potentielle Soldaten und Arbeiter als jede andere Nation der Erde. Im Gegensatz zum geburtenschwachen Westen kommt in China niemand auf die Idee, Billigarbeiter aus fremden Ländern zu importieren. Vielmehr hat man einen derartig demographischen Überschuss, dass man leicht Millionen Staatsbürger in alle Welt exportieren kann, ohne selbst einen Mangel zu haben. Und die Geburtenraten sollen noch gesteigert werden…“ (S. 56). Der Autor beschreibt plastisch die chinesischen Wanderarbeiter und Kleinunternehmer, die sich längst im Westen über Lokale, „Massagesalons“, europaverbreitete Läden und Handelsgeschäfte mit Billigwaren „made in China“ ausbreiteten. Hinzu kommt: „Durch das Asylsystem ist ein endloser Zug von Chinesen – so wie auch von allen anderen Menschen auf diesem Planeten – de facto nicht zu verhindern, schließlich kann jeder Chinese behaupten, in einer ‚Diktatur zu leben und deshalb ein ‚Flüchtling‘ zu sein. Zahlreiche Einwanderungskritiker haben nichts gegen Zuzug von Fremden, deren Arbeitsamkeit und Gesetzestreue nicht schlechter ist als die der Einheimischen, weshalb die Masseneinwanderung von Chinesen und anderen Asiaten nur selten kritisiert wird. Doch selbstverständlich ist die Verdrängung von Einheimischen kein ökonomischer Gewinn für diese, sondern vielmehr eine Belastung für weiße Arbeiter und Kleinunternehmer“ (S. 57).
Und die wirtschaftliche Expansion?
Der Autor behandelt diese im Kapitel 4 mit den Unterabschnitten Versagen der Freihandelsideologie – Die neue Seidenstraße – Industriespionage und Produktpiraterie. „Seidenstraße“ – es wird ausgeführt, dass dieser geläufige Begriff vom deutschen Geographen und Forschungsreisenden Ferdinand Freiherr von Richthofen (Carlsruhe O.S. 1833 bis Berlin 1905) geprägt wurde, einem Kenner auch von China. Es wird aus seiner Analyse in den Preußischen Jahrbüchern des Jahres 1897 zitiert: „Aus eigener Gewinnsucht ruhen die Fremden nicht, bis sie die schlummernden Riesenschätze an natürlichen Hilfsquellen und menschlicher Arbeitskraft entwickelt haben werden. Gewaltsam zwingen sie China, die letzteren auf die massenhafte Herstellung der Güter zu wenden, durch welche Europa den Handel der Welt beherrscht, unbekümmert darum, ob sie nicht dadurch Europas hohe materielle Macht herabsetzen…“ (S. 6). Europa beherrscht den Handel der Welt? Das war einmal. Realität ist längst, wie es ein aktueller Beitrag von Fabian Kretschmer beschreibt: „Chinas Wirtschaft kommt stark zurück. Im dritten Quartal wächst die Ökonomie der Volksrepublik weiter. Man profitiert davon, dass das Infektionsrisiko seit Monaten eingedämmt ist. Das weckt auch Hoffnungen in Deutschland… Der ökonomische Erfolg im Reich der Mitte inmitten der Corona-Krise lässt sich nur durch die zuvor getroffenen epidemiologischen Maßnahmen verstehen: Als eines der wenigen Länder hat China das Infektionsgeschehen seit Monaten auf nahezu null gedrosselt…“ („Stuttgarter Nachrichten“ Nr. 243 vom 20. Oktober 2020, Seite 9). Und wie steht es derweil mit der europäischen, der deutschen Wirtschaftsleistung, mit der Sicherung von heimischen Arbeitsplätzen?
Gibt es Lösungsmöglichkeiten?
Die Antwort gibt Georg Immanuel Nagel in seinem vorletzten Kapitel 7 Was getan werden muss. Auch sein Schlusskapitel Der Drache und der Adler vermittelt hoffnungsvolle Ansätze. Ein letztlich positiver Schluss dieser höchst lesenswerten Eckartschrift: Doch unsere Buchbesprechung verweist dazu gern auf die besprochene Schrift selbst – denn die Möglichkeiten sind noch immer vorhanden in unserer europäischen Intelligenz und Kompetenz. Schließlich gingen die bahnbrechenden Erfindungen und Entdeckungen etwa der letzten 100 Jahre von Europa und Nordamerika aus. Dann: Die geheimen, gleichsam unterirdischen Quellen sind vorrangig – die lebensreformerischen Impulse, geistigen Strömungen, eine gelebte Religiosität – all das nicht einem Konfuzius, sondern dem Laotse verwandt…
Georg Immanuel Nagel: Der Drache und der Adler. Wie die chinesische Weltexpansion die weiße Welt bedroht (Eckartschrift 241)
112 Seiten, zahlreiche Bilder und Karten in Farbe; ISBN: 978-3-902350-78-7, Preis € 9,20 zuzüglich Porto