von Reinhild Bauer
Brauchtum (28)
Das Holen des Osterwassers ist ein Brauch, der sich bis in die 1950er-Jahre großer Beliebtheit erfreute, seither jedoch nur mehr wenig gelebt wird. Heute ist vor allem noch der Schnaps nach dem Ostermahl bekannt, welcher denselben klangvollen Namen erhalten hat. Obwohl nicht einer bestimmtenn Region zuzuordnen wissen wir heute um die hohe Bedeutung dieses Brauches im besonderen für Ostpreußen und Pommern.
Die Ursprünge des Osterwassers liegen in vorchristlicher Zeit, als dem Wasser im Frühling heilende Kräfte zugesprochen wurden und es als Symbol des Lebens und der Fruchtbarkeit galt. Dem damaligen Glauben nach sollte es besonders lange haltbar sein und nicht verfaulen. In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt genau die Menschen damals mit dem Wasser im Frühling hantierten, ist nicht eindeutig überliefert, jedoch, daß vor allem das weibliche Geschlecht darin einen Jungbrunnen sah und das Vieh für eine gute Gesundheit damit benetzt wurde. Das Christentum faßte dieses Ritual auf und manifestierte es als Brauch zum Osterfest. Auch das Taufwasser, welches die katholische Kirche im Zuge der Osterfeier weiht und das ebenfalls den Namen Osterwasser trägt, dürfte auf dieses heidnische Ritual zurückgehen.
Je nach Region gibt es verschiedene Formen des Osterwassers, die sich aber alle im Rahmen des bereits christianisierten Brauches wiederfinden. Aus Ostpreußen ist bekannt, daß vor allem die ledigen jungen Mädchen vor Sonnenaufgang am Ostersonntag zu einer Quelle oder einem nahegelegenen Bach gingen, um dort gegen die Strömung Wasser zu schöpfen. Ganz wichtig war, daß der gesamte Gang schweigend und ohne Lachen zurückgelegt wurde, sonst wurde es zu „Plapperwasser“ und sollte seine heilenden Kräfte verlieren. Das geschöpfte Wasser wurde dann über das ganze Jahr zum Waschen mitverwendet und sollte reine Haut und Gesundheit verschaffen.
In Pommern wurde dieser Brauch auf das Vieh ausgeweitet. Dieses wurde ebenfalls vor Sonnenaufgang ins Wasser getrieben oder zumindest damit bespritzt, um besonders gesund und vital zu sein. Andernorts war das Osterwasserholen etwas so Geheimnisvolles, daß für die rechte Wirkung nicht einmal jemand diesen Gang wahrnehmen durfte. Mancher Bursche machte sich einen Jux daraus, den Mädchen aufzulauern und sie zu erschrecken, mit dem Ziel, daß das Schweigen gebrochen werde.
Wer auf der Suche nach einem Jungbrunnen ist, kann ja gelegentlich diesen Brauch probieren und sehen, ob unsere Ahnen Recht hatten…
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.