von Benedikt Kaiser
Kaisers Zone (16)
Es ist soweit: Die Alternative für Deutschland (AfD) hat ihren ersten großen Triumph in einer Stichwahl erzielt. Nach zehn Jahren Parteiexistenz gelang es am Sonntag, dem 25. Juni, die Landratswahl in Sonneberg (Südthüringen) zu gewinnen. Robert Sesselmann, Anwalt und dreifacher Familienvater, setzte sich gegen den CDU-Kandidaten durch: stolze 52,8 Prozent der Wählerstimmen konnte er für sich verbuchen. Er wird fortan dem mit etwa 60.000 Einwohnern kleinsten Landkreis der neuen Bundesländer vorstehen. Seine wichtigsten Aufgaben als Behördenchef sind die Mitarbeiterführung in der Verwaltung – mehrere hundert in und um Sonneberg – und die Zusammenarbeit mit dem Kreistag. Als Landrat muß Sesselmann die Beschlüsse des kommunalen Parlaments ausführen, wo die AfD bislang zweitstärkste Kraft hinter der CDU war, aber ebenso Gesetzesvorgaben aus Erfurt mit einer rot-rot-grünen Landesregierung oder aus Berlin und der dortigen rot-grün-gelben Bundesregierung umsetzen.
Wenn es insbesondere um Verwaltungskoordination und Gesetzesbefolgung geht – warum ist diese Wahl im Landkreis an der thüringisch-bayerischen Grenze dann so bedeutsam? Die Antwort ist: Es liegt weniger an lokalspezifischen Agenden, denn an landes- und bundespolitischen Signalen, die diese Wahl aussendet.
Die lokalen Folgen sind erwartbar: Die Verwaltung mit ihren diversen Hierarchieebenen, die seit Jahrzehnten christdemokratisch geführt wurde, wird Sesselmann die Arbeit Tag für Tag erschweren. Ein Wahlerfolg bedeutet nicht, daß man umstandslos eine Politikwende im Kleinen durchführen könne; selbst im großen Maßstab gelingt das ja nicht ohne weiteres, wie man in Österreich aus den bisherigen FPÖ-Regierungsbeteiligungen weiß. Sesselmann braucht Geduld, ein dickes Fell und viel Unterstützung aus der AfD und dem Vorfeld, um mit Expertise und Durchhaltevermögen die kommenden Herausforderungen zu meistern. Ob er zäh genug und weltanschaulich ausreichend gefestigt ist, um nicht nur Widerstände, sondern auch etwaige Verlockungen des Establishments abzuwehren, werden die kommenden Jahre zeigen.
Die landes- und bundespolitischen Folgen sind ebenso erwartbar, aber schwieriger zu kalkulieren: Erstmals überhaupt in der Geschichte des wiedervereinigten Deutschlands regiert ein „rechter“ Politiker mit. Die gesamte BRD schaut – und schimpft – auf das idyllische Sonneberg, da man ahnt, daß sich hier ein Dammbruch vollzogen habe, der für das Jahr 2024 als Anheizer wirkt. Dann wird im „Superwahljahr“ ein neues Landesparlament in Thüringen gewählt. Dort, aber auch in Sachsen, wo ebenfalls gewählt wird, ist die AfD mit rund 30 Prozent in Umfragen längst auf Platz eins. Aus Sicht des linksliberalen und christdemokratischen Establishments droht der blaue Flächenbrand von Sonneberg aus ganz Mitteldeutschland zu erfassen. Aus Sicht der volksverbundenen Opposition ist diese Furcht Ansporn und Auftrag zugleich. Aus dem Osten kommt das Licht!
Über den Autor:
Benedikt Kaiser, Jg. 1987, studierte an der Technischen Universität Chemnitz im Hauptfach Politikwissenschaft. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lektor und Publizist. Kaiser schreibt u.a. für Sezession (BRD), Kommentár (Ungarn) und Tekos (Belgien); für éléments und Nouvelle École (Frankreich) ist er deutscher Korrespondent.