Das manchmal doch nicht so liebe Geld …

Wenn durch den Wertverlust des Geldes das Vermögen verschwindet und Lebensnotwendiges unerschwinglich wird – dieses Phänomen lernte man im deutschsprachigen Raum bereits im Mittelalter kennen. Damals passierte das durch den „Münzverruf“: Der Landesherr zwang seine Untertanen in regelmäßigen Abständen, die aktuellen Münzen gegen eine geringere Anzahl neuer einzutauschen. Dieser rigiden Form der Steuereintreibung entflohen die Menschen durch Verbleib beim bzw. Rückkehr zum Tauschhandel, je nachdem, wie weit ihr Wohngebiet schon monetarisiert war. In der Neuzeit gab es aber kein Entrinnen mehr. Das bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ausschließlich verwendete Zahlungsmittel der Münze deckte seinen Wert selbst – durch den Metallgehalt. Als aber Silberknappheit, Urbanisierung und Beginn des Dreißigjährigen Krieges zeitlich zusammenfielen, kam es zu den „Kipper- und Wipperjahren“: Durch allgemein praktizierte betrügerische Techniken sank der Metallgehalt dramatisch. Genau 300 Jahre nach Ende der Kipper- und Wipperzeit, nämlich 1923, bewirkte eine Hyperinflation, daß in Westfalen das höchste Münznominal der deutschen Geschichte erreicht wurde: 1 Billion Mark.

All das behandelt Martin Hobek in der Eckartschrift 250 mit dem Titel Bare Münze erzählt deutsche Geschichte. Der Autor ist fachlich ein Spätberufener, dafür aber umso leidenschaftlicher – so wie Goethe, mit dessen „Erweckungserlebnis“ diese Eckartschrift beginnt. Er nahm 1787 in Palermo eine Einladung in ein fürstliches Münzkabinett nur widerwillig an, wurde dort aber von einer Begeisterung ergriffen, die ihn für den Rest seines Lebens zum Sammler und Numismatiker machte.

Bezahlen mit Bratspießen

Hobek skizziert zum besseren Verständnis auch „die Zeit des Geldes vor dem Geld“. Bei den Griechen war der Übergang zu den Münzen fließend. Als prämonetäres Zahlungsmittel hatten Bratspieße, gängige Gebrauchsgegenstände mit massivem Metallwert, große Beliebtheit erlangt. Der Bratspieß hieß „Obolos“, sechs davon konnte man mit einer Hand umfassen, das Wort für diese Handvoll war „Drachme“. Die erste griechische Währung wurde daher Drachme genannt, mit der Unterteilung in sechs Oboloi. Die keltischen Kopien griechischer Gepräge wurden zu den ersten Münzen im heute deutschsprachigen Raum, die bald vom römischen Geld abgelöst wurden. Die römischen Münzen erzählen viel über die germanischen Nachbarn. Hobek sieht die Griechen und Römer als gutes Beispiel für den unterschätzten Nutzen der Numismatik. In den Schulen werde von den „guten“ Athenern und den „bösen“ Spartanern gelehrt. Der Numismatiker hingegen weiß, daß die meisten griechischen Stadtstaaten mit Sparta sympathisierten, um das Joch Athens samt Tributlast loszuwerden. Bei den Römern korrigiere die Numismatik nicht das Geschichtsbild, sondern vertiefe es. „Was der Historiker weiß, begreift der Numismatiker“, so Hobek. Den hohen Grad an römischer Organisation durchschaue man erst dann so richtig, wenn man sich mit dem römischen Münzwesen beschäftige.

Deutsche Flugpioniere und die nackte Maria Theresia

Hobek widmet sich aber auch dem zweiten großen Bereich der Numismatik neben den Münzen, nämlich den Medaillen – diese seien ein „unverzichtbares Medium“. Er macht das am Beispiel der ersten Atlantiküberquerungen durch Motorflugzeuge fest. Der US-Amerikaner Charles Lindbergh wird heute noch für den ersten Transatlantikflug von New York nach Paris im Mai 1927 gefeiert. Dasselbe Unternehmen in die entgegengesetzte Richtung, also gegen Wind und Wetter, hielt er für unmöglich – und wurde nur elf Monate später durch zwei Deutsche eines Besseren belehrt. Ehrenfried Günther Freiherr von Hünefeld und Hermann Köhl wurden zwar auch weltweit gefeiert, starben aber noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, durch den ihre Heimat zum Paria wurde. Deshalb gerieten sie weitgehend in Vergessenheit. Nur die zahlreichen Medaillen aus dem Jahr 1928, die heute noch im Münzhandel kursieren, verhindern ein völliges Verschwinden aus dem Bewußtsein. Umso bedauerlicher, daß die Medaille aus der Mode gekommen ist.

Hobek ist bemüht, durch anschauliches Bildmaterial numismatisches Fachwissen leicht bekömmlich weiterzugeben, beispielsweise, welche Makel die Münze entwerten oder sie im Gegenteil sogar noch verteuern. Und er wartet immer wieder mit Überraschendem auf: Wer Maria Theresia nackt sehen möchte und wissen will, warum der Kauf des russischen Alaskas durch die USA ein Teil der deutschen Geschichte sei, der greife zur neuen Eckartschrift.

Diese ist im ÖLM-Marktplatz erhältlich.

Beitrag teilen

Facebook
Twitter
Email
Telegram
Print