von Christian Lautischer
Die deutschsprachige Bevölkerung Sloweniens bewohnt das Land seit Jahrhunderten. Das heutige Slowenien wurde zu verschiedenen Epochen und vor allem aus wirtschaftlichen Gründen besiedelt – insbesondere aus anderen Teilen der ehemaligen Habsburgermonarchie, vor allem aus Oberkärnten, Osttirol, der Obersteiermark, Wien und Salzburg, aber auch aus Bayern und dem Sudetenland. Mit der Besiedelung ging gleichzeitig auch ein ununterbrochener Assimilierungsprozeß an die slowenische Mehrheitsbevölkerung einher, und mit dem aufkommenden Frühling der Völker im 19. Jahrhundert begann auch die deutsche Volksgruppe in Slowenien ihren Wunsch nach eigenen deutschen Schulen, kulturellen Einrichtungen sowie einer eigenen politischen Vertretung in den Gemeinderäten sowie im Krainer und Steirischen Landtag auszudrücken.
Mit Ende des Ersten Weltkrieges bildete die deutsche Bevölkerung Sloweniens gemeinsam mit den kroatischen und serbischen Deutschen die größte Volksgruppe im Königreich Jugoslawien mit einem zweisprachigen, wenn auch eingeschränkten Bildungswesen und einer eigenen kulturellen Vertretung. Nach der österreichischen Volkszählung 1910 lebten auf dem Gebiet des heutigen Sloweniens 106.377 Einwohner mit deutscher Umgangssprache, 1931 war ihre Zahl auf 28.998 gesunken.
Enteignung und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Zweite Weltkrieg hatte für die deutsche Volksgruppe verheerende Folgen. Viele ihrer Angehörigen nahmen aktiv, noch mehr passiv am Volksbefreiungskampf teil, was reichlich dokumentiert ist. Im Gedenken an das Österreich-Bataillon wurde eine zweisprachige Gedenktafel aufgestellt, es sind zahlreiche persönliche Dokumente erhalten, die von der Teilnahme am Befreiungskampf zeugen, und nicht zuletzt stammte Herta Haas, mit der Josip Broz Tito während des Krieges verheiratet war, aus einer bekannten deutschen Marburger Rechtsanwaltsfamilie. Dennoch besiegelten die AVNOJ-Beschlüsse das Schicksal des Vereinswesens und -lebens der deutschen Minderheit, die mit Ausnahme der Widerstandskämpfer und weniger anderer enteignet und vertrieben wurde.
Wiedergeburt des Vereinslebens ab 1991
Im Juni 1991 wurde in das Vereinsregister von Marburg der erste deutschsprachige Verein der Nachkriegszeit eingetragen. Seine Gründung ging auf eine Menschenrechtsinitiative sowie das besondere damalige Klima in der Zeit vor der slowenischen Unabhängigkeit sowie die damit verbundene Euphorie zurück, die man für das Plebiszit im Dezember 1990 auch benötigte. Die Politik war sich dessen bewußt, daß für ein erfolgreiches Plebiszit eine überzeugende Mehrheit erforderlich sein würde und wandte sich so u. a. auch an die in Slowenien lebenden Angehörigen der übrigen Völker Jugoslawiens. Dies brachte den Richter am Verwaltungsgericht und späteren Marburger Rechtsanwalt Dušan Ludvik Kolnik auf die Idee einer neuerlichen Vereinstätigkeit slowenischer Staatsbürger, die Nachfahren der historischen deutschen Volksgruppe in Slowenien sind.
1992 unterstrich Österreich im „Mock-Memorandum“, daß es sich als legitimiert erachte, die Anliegen der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien und deren Anliegen gegenüber der slowenischen Regierung zu vertreten bzw. zu unterstützen. Für eine gedeihliche Entfaltung dieser Volksgruppe erachtet Österreich folgendes als wesentlich: 1.) Die Anerkennung des Bestehens der Volksgruppe und die gesetzliche Verankerung ihrer Rechte 2.) Die Förderung des Deutschunterrichts bzw. des deutschsprachigen Unterrichts, insbesondere im Bereich des Grundschulwesens und überall dort, wo ein Bedarf gegeben sei 3.) Finanzielle sowie allfällige Unterstützung künstlerischer Aktivitäten der Volksgruppe.
Im April 2001 unterzeichneten Österreich und Slowenien ein bilaterales Kulturabkommen, in dem auch zum ersten Mal in einem österreichisch-slowenischen Vertrag die deutsche Volksgruppe benannt wird. Der Historiker Stefan Karner bezeichnete das Abkommen als eines, dessen Hauptsache zur Nebensache geworden sei. Österreich verlieh dem Anliegen auf Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien erneut Nachdruck. Auch der österreichische Nationalrat zeigt parteiübergreifend Interesse an der Causa: 2012, 2014, 2018 und 2020 wurden jeweils Entschließungen des Nationalrates einstimmig angenommen, mit denen die österreichische Bundesregierung aufgefordert wurde, sich für die offizielle Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien einzusetzen.
Erfolgsgeschichte mit ÖLM-Unterstützung
Zuletzt sei auf unser größtes Projekt hingewiesen, die Laibacher Zeitung (www.laibacher-zeitung.si), die Ende Mai 2022 bereits in der elften Folge erschienen ist. Ohne die anfängliche Unterstützung dieses Wiederbelebungsprojekts durch die ÖLM wäre der mediale Durchbruch damals nicht möglich gewesen. Die historische Laibacher Zeitung war eine der einflussreichsten in deutscher Sprache erschienenen Tageszeitungen im slowenischen Sprachraum und erschien bis 1918. Auf Initiative des Kulturvereins der deutschsprachigen Jugend wurde die Zeitung 2017 wiederbelebt und erscheint vierteljährlich mit aktuellen Berichten und Themen zur allgemeinen Lage der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien.
Vom Juni bis November 2022 wird im Schweigerhaus in Laibach zudem die internationale Wanderausstellung IN ZWEI WELTEN – 25 deutsche Geschichten der slowenischen Öffentlichkeit präsentiert. (https://in2welten-agdm.fuen.org/).
Nach wie vor ausständige Anerkennung der deutschen Volksgruppe in Slowenien
Heute vereint der Dachverband der Kulturvereine der deutschsprachigen Volksgruppe acht Vereine. Neben der Gottschee existieren entsprechende Kulturvereine in Marburg, im Abstaller Feld, Luttenberg und Cilli in der Untersteiermark, sowie in Laibach, Bischoflack und Kronau in Oberkrain.
Der Beitrag der in Slowenien lebenden Deutschen zum architektonischen, religiösen, musikalischen und literarischen Leben ist noch heute präsent. Der Schriftsteller und Politiker Ivan Cankar erklärt in seinen Politischen Schriften das Verhältnis gegenüber ihren Nachbarn, den Jugoslawen, wie folgt: Dem Blut nach sei man Brüder, der Sprache nach zumindest Vettern und der Kultur nach, die das Ergebnis einer jahrhundertelang getrennten Erziehung sei, sei man sich untereinander viel fremder als ein Oberkrainer Bauer einem Tiroler oder ein Görzer Weinbauer einem aus Friaul.
Doch wenn auch die verfassungsmäßige Anerkennung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien ausständig ist und die damit verbundene Reziprozität mit der Minderheit der Kärntner Slowenen in Österreich von slowenischer Seite nach wie vor verweigert wird, so dürfen wir nicht vergessen, daß Slowenien die Heimat von Menschen ist, die seit mehr als 1000 Jahren mit den Deutschen gemeinsam hier leben und diese Gemeinsamkeit nicht aufgeben wollen. Und mit den Worten unseres großen Marburger Dichters Ottokar Kernstock läßt sich dieses Bewußtsein zusammenfassen:
Aber das Große, das Deutsche und Wenden
Einmal geschaffen mit rüstigen Händen,
heimatbegeistert und brüderlich,
kann kein Wandel der Zeiten zerbrechen.
Über den Autor:
Der 1996 geborene Deutsch-Oberkrainer Christian Lautischer ist seit 2017 Vorsitzender des Dachverbandes der Kulturvereine der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien und leitet dessen Jugendverein mit Sitz im Schweigerhaus.