von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (39)
Immer wieder reklamieren Friedens- und Frauenbewegte Bertha von Suttner für sich, die vor 110 Jahren, am 21. Juni 1914, zu Wien verstarb. Ihre Losung „Die Waffen nieder!“ wurde zu einem geflügelten Wort. Heute gilt sie als berühmteste Pazifistin ihrer Ära, als Begründerin der internationalen Friedensbewegung und ähnlicher bis heute überaus lebendiger sozialer Bewegungen.
Am 9. Juni 1843 als Bertha Gräfin Kinsky von Wchinitz und Tettau in Prag geboren wirkte sie als Gesellschafterin und Erzieherin der Töchter des Freiherrn von Suttner zu Wien. Am Ende heiratete Bertha heimlich den jüngsten Sohn des Hauses. Nach einigen Jahren im Kaukasus kehrte das Paar 1885 nach Wien zurück, und 1886 traf Bertha den ihr schon bekannten Industriellen Alfred Nobel wieder, der ihren Pazifismus unterstützte. 1889 machte ihr Antikriegsroman Die Waffen nieder! Furore, und Bertha von Suttner stieg in der internationalen Friedensbewegung zur Ikone auf, erst recht nach dem Tod ihres Mannes 1902.
Politisch stand sie weit links und wurde 1905 als erste Frau mit dem Friedensnobelpreis dekoriert, zu dessen Stiftung sie Alfred Nobel überhaupt erst inspiriert hatte. Sie, die die Schrecken des Krieges eindringlich beschrieben hatte, gilt als Vorkämpferin einer internationalen Gerichtsbarkeit, doch auch als Gegnerin der Benachteiligung von Frauen. Überdies waren Bertha eine repressive Sexualmoral, Armut, die Herrschaft der begüterten Klassen, nationaler Chauvinismus, Judenfeindlichkeit, religiöser Fanatismus und Tierversuche ein Dorn im Auge.
Nachdem 1906 eine zwölf Bände umfassende Gesamtausgabe ihrer Schriften erschienen und 1913 ihr Antikriegsroman verfilmt worden war, starb die kämpferische Frau am 21. Juni 1914 in Wien – „als überzeugte Freidenkerin“, wie sie sich ausdrückte. In ihren Schriften – sie wurden teilweise unter Pseudonym veröffentlicht – beschäftigte sich diese Intellektuelle von Format mit zahlreichen Wissenschaften. So wollte sie Darwin und seiner Evolutionstheorie die Bahn brechen und glaubte fest an menschlichen Fortschritt mittels biologischer und kultureller Evolution. Bertha von Suttner setzte darauf, daß sich das Prinzip der Demokratie gegen die Herrschaft von Despoten durchsetzen werde, ebenso das Prinzip der Humanität gegen das unablässige Kriegführen und das wissenschaftliche Prinzip gegen den Aberglauben.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.