von Peter Wassertheurer
Johann Friedrich Perkonig zählt zweifelsohne zu den schillerndsten Schriftstellern und Sprachkünstlern Kärntens. Aus seiner Feder entstammten Romane, Theaterstücke, Erzählungen, Hörspiele und eine impressionistische, von einem tiefen Heimatpathos getragene Lyrik. Perkonigs sprachliche Schaffenskraft war seiner Herkunft geschuldet. Geboren wurde er am 3. August 1890 in Ferlach im Rosental. Das Rosental in Südkärnten verfügte damals wie das Jauntal, das Mießtal oder das Lavanttal über eine slowenischsprachige bzw. windische Bevölkerungsmehrheit. Lediglich in den urbanen Zentren dieser Täler waren die Wirtschaft und das kulturelle Leben von einer deutschen Hegemonie geprägt. Ferlach war im ausgehenden 19. Jh. eine prosperierende Industriestadt mit einem politisch aktiven, gemischtsprachigen Proletariat, unter dem sozialistische Ideen schnell Fuß fassen konnten. Seit 1620 wird in Ferlach das Büchsenmacherhandwerk gepflegt, Mitte des 19. Jh. erfolgte die Umstellung der Produktion auf Jagdwaffen. Bei der Volkszählung von 1910 gab es im Bezirk Ferlach eine slowenischsprachige Mehrheit von 59,6 Prozent, in der Stadt Ferlach hingegen hielt das Deutschtum 89,8 Prozent.
„Ich höre den Kelten in mir rumoren, spüre den Germanen grübeln und den Slawen träumen.“
Perkonig wuchs zweisprachig in einer von der Industrie bestimmten Umwelt auf, zu der ideologische Auseinandersetzungen ebenso gehörten wie ethnisch-sprachliche Nationalitätenkonflikte, die jedoch, wenn überhaupt, nur auf der politischen Bühne Platz hatten. Diese interethnische Linie zog sich auch durch Perkonigs Elternhaus. Sein Vater Michael gehörte als Rosentaler zur windischen Volksgruppe, seine Mutter Franziska war eine Deutsch-Kärntnerin aus dem Glantal. Zeitlebens sah Perkonig darin eine Bereicherung. Nahezu leidenschaftlich definierte er einmal seine kulturelle Herkunft wie folgt: „Ich höre den Kelten in mir rumoren, spüre den Germanen grübeln und den Slawen träumen.“ Perkonig schöpfte hier aus der Kärntner Mythenwelt und sieht seine Herkunft an der Schnittstelle der drei großen europäischen Kulturkreise. Perkonig bekennt sich in seinem literarischen Werk an zahlreichen Stellen zu seiner sprachlichen Mehrkulturalität. In seiner Erzählung Der Schindelhannes zieht übers Gebirg heißt es dazu: „Zu deutscher Seele hin ist mein Sinn gerichtet, slawischer Seele aber weiß ich nachzuspüren.“ Zeitlebens sah sich Perkonig, wie er es selbst einmal so trefflich formulierte, als einen Vermittler „zwischen drüben und herüben.“
Nach der Pflichtschulzeit in Ferlach zog Perkonig in die Landeshauptstadt Klagenfurt, wo er sich 1905 an der Lehrerbildungsanstalt einschreiben ließ. Damals trat er sechzehnjährig der Pennalen Burschenschaft Normannia bei, die damals verboten war. Aus Perkonigs Feder stammt übrigens deren Farbenlied, bis zu seinem Tod blieb Perkonig seiner Normannia treu. Daß er trotz gemischter Abstammung ausgerechnet bei einer deutschnationalen Verbindung einsprang, entsprach seinem kulturellen Verständnis, da für Perkonig das Deutschtum keinen Gegensatz zum Slawentum darstellte. Der junge Perkonig suchte vielmehr den Zugang zur geistigen Elite. Die fand er in Kärnten des beginnenden 20. Jh. im Kreis des urbanen, großdeutsch gesinnten Bildungsbürgertums, wie er es nur in Klagenfurt vorfand.
Perkonig als Kärntner Abwehrkämpfer
Perkonig litt unter einer starken Kurzsichtigkeit, was ihn vor einem Einsatz im Ersten Weltkrieg bewahrte. Im Kärntner Abwehrkampf wurde er von Hans Steinacher in die Landesagitationsstelle geholt, wo unter Steinachers Geschäftsführung der geistige Abwehrkampf organisiert wurde. Nachdem sich die Entente in Saint Germain für eine Volksabstimmung entschieden hatte, stand Südkärnten bis zum 10. Oktober 1920 unter slowenischer Verwaltung. Bis zum Abstimmungstag entflammte auf beiden Seiten eine wahre Propagandaschlacht. Das Land Kärnten beauftragte sechs Druckereien mit der Herstellung von Broschüren, Flugzetteln und Plakaten. Die Bundesregierung stellte dafür einen Kredit von zehn Millionen Kronen zur Verfügung.
Perkonigs literarische Arbeit war 1919 noch weitgehend unbekannt, der Abwehrkampf sollte ihm aber die Möglichkeit bieten, sich unter dem Namen „Carinthiacus“ als Schriftsteller zu etablieren. Wie intensiv sich Perkonigs Auseinandersetzung mit dem Kärntner Abwehrkampf gestaltete, verrät die Fülle an Literatur, die zu diesem Thema in den 1920er-Jahren aus seiner Feder entstand: Heimat in Not, Kärnten Deutscher Süden oder das Theaterstück Die Heimsuchung, das im Klagenfurter Stadttheater aufgeführt wurde. Es stellt das Leid der Kärntner Bevölkerung unter slowenischer Besatzung dar. Der Grund für Perkonigs persönliches Engagement im Abwehrkampf war einer familiären Tragödie geschuldet. Sein Vater war im Dezember 1918 im besetzten Ferlach von SHS-Soldaten verhaftet und nach Laibach verschleppt worden. Nach der Rückkehr 1920 erlag er einem Herzschlag. Gegenüber seinem späteren Biographen Erich Nussbaumer charakterisierte Perkonig dieses Unglück als tiefen Einschnitt in seiner Persönlichkeit: „Sie können sich denken, welchen Eindruck dieses entsetzliche Ereignis auf mich machte, der ich stets allen Grund hatte, mit Verehrung an meinem Vater zu hängen.“
Perkonig im Ständestaat und während der NS-Zeit
Im Ständestaat konnte Perkonig nicht nur seine literarische Laufbahn fortsetzten, er begann sich auch als Landtagsabgeordneter mit der Tagespolitik zu beschäftigen. Perkonig stand hier in einer Tradition, der auch andere bekannte Kärntner Schriftsteller gefolgt waren. Zu nennen ist hier der Lyriker Guido Zernatto, zu dem er während dessen Tätigkeit als Staatssekretär enge Kontakte unterhielt. Bis zum Anschlußjahr 1938 steigerte Perkonig seine literarische Produktivität. Es entstand eine Reihe von Romanen: Mensch wie du und ich, Auf dem Berge leben, Honigraub, Nikolaus Tschinderle, Räuberhauptmann und Lopud, Insel der Helden. Kulturpolitisch hielt Perkonig, wie viele seiner Zeitgenossen, am Anschlußgedanken fest. Nach 1938 bekannte er freimütig: „Größeres Vaterland: Den Beharrlichen ein Lohn! Den Greisen ein spätes Glück! Dem Jüngling eine süße Pflicht! Gebet, Gesang, Gedanke: ewig Deutschland!“
Aufgrund solcher Bekenntnisse wird Perkonig heute als Schriftsteller mit NS-Sympathien dargestellt, der, folgt man Claudia Kuretsidis-Haider, schon früh mit Vertretern der illegalen NSDAP in Kontakt kam und sich später für „zahlreiche literaturpolitische Manifestationen auf NS-Seite“ verantwortlich zeigte. Als Beleg zitiert man dazu Perkonigs Vorwort in einem 1942 erschienenen Lesebuch für die Jugend, in dem er schrieb: Einmal deutscher Knabe, deutsches Mädchen, wirst du erwachsen sein und deinen Platz im deutschen Volk einnehmen. (…) Denke immer daran, daß du auf der Welt bist, um deinem Volke zu dienen, nicht aber, um ein bequemes Leben zu haben. Du hast das Glück, einem herrlichen Volke anzugehören. (…) Als es in Not und Schmach geriet, da schenkte ihm Gott einen Führer, der es wieder in das Licht führte. Ihm mußt du in Leben und Tod ergeben sein. (…) Gib für Deutschland Glück und Gut dahin und, wenn es sein muß, auch das Leben.
Hohe politische Anpassungsfähigkeit, aber auch mutige öffentliche Parteinahme für die Slowenen im Jahr 1942
Der ehemalige Leiter des Kärntner Landesarchivs, Wilhelm Wadl, attestiert Perkonig eine „erhebliche Flexibilität“, die Perkonig sowohl im Ständestaat wie später im Dritten Reich literarisch reüssieren ließ. Perkonig war, den Umständen der Zeit geschuldet, ein politischer Opportunist, der um der eigenen Karriere willen eine hohe Anpassungsfähigkeit bewies – aber kein Einzelfall. Man denke hier nur an Karl Renner, SPÖ-Staatskanzler der Ersten Republik und nach 1945 Bundespräsident. Auch Renner galt als glühender Anhänger des Anschlusses, legendär wurde sein „Ja“ in der Arbeiterzeitung. In den 1920er-Jahren war Renner mit antisemitischen Äußerungen negativ aufgefallen, 1945 diente er sich dann ausgerechnet Josef Stalin an. Wer Perkonigs persönliches Verhalten in der NS-Zeit beurteilt, was aus der gesicherten Wohlstandsposition von heute immer sehr fragwürdig ist, darf sich nicht nur auf dessen sprachlich übersteigerte NS-Lobeshymnen beschränken, von denen er sich später deutlich distanzierte, sondern muß sein mutiges Eintreten für die slowenische Volksgruppe von 1942 mitberücksichtigen. Perkonig gehörte zu den wenigen Künstlern, die damals die Courage aufbrachten, gegen die zwangsweise Aussiedelung von Slowenen aus Kärnten öffentlich zu protestieren.
Ähnlich kritisch wird Perkonigs journalistischer Einsatz beim Abwehrkampf gesehen, wofür er in den 1920er-Jahren zahlreiche Ehrungen erhielt. Für Perkonig war das Ringen um Kärnten ein Kampf, bei dem „uralte deutsche Erde bewahrt wurde.“ Solche Aussagen nützen Perkonigs Widersachern, um ihn zum Vertreter einer Blut-und-Boden-Ideologie zu machen. Er soll daher als Namensgeber für Schulen und Straßen verschwinden. Wieder urteilt man mit zweierlei Maß: Die slowenische Feindpropaganda von 1918 bezeichnete Kärnten ihrerseits als uralten slawischen Boden, den es zurückzuerobern galt…