Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Vor 100 Jahren: Hyperinflation und Rentenmark

von Mario Kandil

Kalendarium Kandili (27)

Vor 100 Jahren – am 15. November 1923  – kam es im darniederliegenden Deutschen Reich zur Einführung der Rentenmark mit dem Ziel, die Hyperinflation zu bekämpfen. Diese Reform als Ziehen der Notbremse war unumgänglich geworden, da die Währung in Deutschland nicht aufhörte, rasant an Wert zu verlieren.

Angesichts des innenpolitischen Chaos’ in der Weimarer Republik und der utopischen Reparationsforderungen der Siegermächte des Ersten Weltkrieges hatte sich der Verfall der Währung immer mehr beschleunigt. Der Finanzbedarf des Staates, dessen Schuldendienst bei über 100 % lag, war aus seinen Einnahmen nicht zu decken. Zur Bezahlung der Reparationen mußten mehr und mehr Devisen angekauft werden, was die deutsche Währung immer weiter abrutschen und die Notenpressen immer mehr Geld drucken ließ. Nach der Ermordung von Walther Rathenau im Juni 1922 und dem Beginn des Ruhrkampfes Anfang 1923 mit dem passiven deutschen Widerstand gegen die belgisch-französischen Besatzer gab es bei der Entwertung der Mark kein Halten mehr.

Der Weg aus dem Chaos begann mit der Einstellung des passiven Widerstandes. Am 15. November 1923 startete – kurz nach dem Scheitern des Hitler-Putsches am 8. und 9. November – die Mitte Oktober gegründete Rentenbank, die Rentenmark als neues, stabiles Zahlungsmittel zu emittieren. Mangels ausreichender Goldvorräte zur Deckung ihres Grundkapitals hatte die Bank den Grundbesitz von Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe mit einer Hypothek von 3,2 Milliarden Rentenmark (Goldmark) belastet. Den Wechselkurs hatte man auf 4,2 Billionen (!) Papiermark  festgesetzt, und diesem Wert entsprach ein US-Dollar. Nun verfügte man jedoch nicht über ausreichend neue Rentenmarkscheine, und so blieben als meistens wertbeständiges Notgeld bis Mitte 1924 noch einige Inflationsscheine in Umlauf.

In den Folgemonaten glückte es Reichsfinanzministerium und Reichsbank, durch Restriktion des Geldumlaufs und rigide Haushaltseinsparungen dem Kurs der Rentenmark Stabilität zu geben. Das ökonomische Leben normalisierte sich wieder, und in der Innenpolitik kehrte relative Ruhe ein, sodaß man vom „Wunder der Rentenmark“ sprach. Als Übergangslösung existierte die neue Währung aber nur bis zur Einführung der Reichsmark am 30. August 1924.

Über den Autor:

Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.

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