Die Ziele der Österreichischen Landsmannschaft, das deutsche Erbe zu pflegen, unsere Landsleute in ihrer kulturellen Identität im In- und Ausland zu unterstützen und volkstumspolitisch zu wirken, haben nichts von ihrer Aktualität und Bedeutung verloren. Überall finden sich Gleichgesinnte, vielerorts gibt es Interesse am Schicksal des eigenen Volkes, immer wieder setzen Persönlichkeiten wichtige Wegmarken zur Bewahrung unseres reichen Erbes.
Geboren an der Wolga
Eine solche Persönlichkeit ist Olga Litzenberger. Geboren in einer deutschen Familie in der Stadt Saratow in Rußland studierte sie Geschichte und Rechtswissenschaften an der Wolga-Akademie für öffentliche Verwaltung, später Philosophie an der Universität Köln. Sie promovierte und habilitierte sich zur deutschen Kirchengeschichte in Rußland – ein Thema, das ihr in die Wiege gelegt wurde.
Olga Litzenbergers Großvater hatte ihr erzählt, daß „nur die deutschen Traditionen und der deutsche Glaube“ ihm hätten helfen können, nach der Deportation zu überleben. Als er sah, wie im Arbeitslager seine Freunde und seine Frau einer nach dem anderen wegen der unmenschlichen Lebensbedingungen starben, beschloß er zu fliehen. Der damals 28 jährige versprach, sein weiteres Leben Gott zu widmen, falls ihm die Flucht gelingen sollte. Er hielt sein Wort: In sein Heimatdorf zurückgekehrt zog er seine Kinder in einer streng religiösen Atmosphäre auf und begann außerdem, illegale Gebetsversammlungen zu organisieren.
Karriere als Professorin und Prorektorin
Die Erzählungen ihres Großvaters gingen seiner Enkelin so nahe, daß sie die Kirchengeschichte in der Sowjetunion als Dissertationsthema wählte und über die Verfolgung von Prie-stern, die Katakombenkirchen und über die Schicksale der Betroffenen schrieb.
Die Mutter von drei Kindern arbeitete mehrere Jahre lang als Hochschuldozentin, Professorin und Prorektorin in Saratow, bis sie schließlich 2017 nach Deutschland übersiedelte und seit Mai 2019 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Rußland arbeitet.
Erika-Kiwek-Preis 2023
Ihre Leistung, die große Vergangenheit der Rußlanddeutschen der Vergessenheit zu entreißen und ihr ein würdiges Denkmal zu setzen, wurde heuer mit dem Erika-Kiweg-Preis der Österreichischen Landsmannschaft ausgezeichnet.
In Gegenwart des Dritten Nationalratspräsidenten, Ing. Norbert Hofer, überreichte Mag. Christoph Bathelt, 3. Obmann der ÖLM, im Rahmen des Schulvereinstages 2023 in den Räumlichkeiten des österreichischen Parlaments Prof. Litzenberger Urkunde und Preisgeld für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zur Geschichte der Rußlanddeutschen und damit für die Belebung dieses Erbes. Im Rahmen ihrer gegenwärtigen Berufstätigkeit in Bayern fördert sie Kulturschaffende aus den Reihen der Rußlanddeutschen, dokumentiert die Schicksale ihrer Landsleute und verbindet die Deutschen in nah und fern. Bathelt würdigte in seiner Laudatio die Ausstellungen, Lesungen, Vorträge und zahlreichen digitalen Angebote rund um die Rußlanddeutschen, die Olga Litzenberger auf die Beine stellt.
Berührende Dankesworte
Prof. Litzenberger berichtete in ihrer Dankesrede von einer alten Frau, die 1941 als Frühchen geboren wurde, nachdem ihrer Mutter die Deportation angekündigt worden war. Der Großvater baute in Erwartung des Schlimmsten einen Sarg für das kleine Mädchen, füllte ihn aber mit den deutschen Bibeln der Kirche. Der Säugling überlebte glücklicherweise, einige der Bibeln sind heute im Museum in Bayern zu sehen.
Solche Geschichten und der Preis der ÖLM seien es, sagte die sympathische Frau, die sie „ermutigen, den angefangenen Weg weiterzugehen und auch weiter Verantwortung für die Geschichte und die Gegenwart der Rußlanddeutschen zu übernehmen“. Ein zehnbändiges historisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Siedlungen ist in Arbeit. „Zurzeit leite ich auch ein neues riesiges Projekt“, sagte sie bei der Preisverleihung, nämlich die „Zeitzeugenbefragung“.
Einreichungen für 2024 ab sofort möglich!
Zum Schluß lud der Obmann der ÖLM, Mag. Erich Danneberg, dazu ein, es Frau Litzenberger gleichzutun: Einreichungen für den Erika-Kiwek-Preis 2024 werden ab sofort entgegengenommen. Ausgezeichnet werden wissenschaftliche Arbeiten an Fachhochschulen oder Universitäten sowie Publikationen, die sich mit dem Schicksal und dem Erbe der Deutschen weltweit beschäftigen.
Ulrike Raich