von Bruno Burchhart
Das südlichste Bundesland der Alpenrepublik weist viele bemerkenswerte Besonderheiten auf. Kärnten hat wunderbare landschaftliche Reize zu bieten mit seiner eindrucksvollen Gebirgslandschaft, seinen herrlichen Seen und seinen schönen Tälern und Flüssen. Seine weltoffenen, jedoch sehr heimatbewussten Bewohner wissen dies ebenso wie die vielen Gäste und Urlaubsgäste sehr zu schätzen. Kunst, Literatur, Theater, Musik, Tanz, Gesang, Architektur, bodenständiges Brauchtum, das reiche Vereinsleben usw. nehmen einen ebenso hohen Stellenwert im Zusammenleben ein wie Wissenschaft, Wirtschaft, Industrie, Land- und Forstwirtschaft, Gastronomie und Tourismus. Trotz mancher Probleme sind sich die Kärntner im Wesentlichen auch ihrer europaweit einmaligen Lage am Schnittpunkt der drei großen europäischen Völkergemeinschaften, der Romanen, der Slawen und der Deutschen, durchaus bewusst.
Am Schnittpunkt der drei großen europäischen Völkergemeinschaften
Aus ihrer überaus reichhaltigen Geschichte und den daraus gewonnenen Erfahrungen haben die Kärntner – aus der ehemaligen Randlage nunmehr im mitteleuropäischen Zentrum gelegen – infolge der geographischen und geistesgeschichtlichen Gegebenheiten anderen Bundesländern viel voraus. Nirgendwo sonst hat es solche massiven, durchaus auch kämpferischen Auseinandersetzungen um die Einheit des Landes und damit auch Österreichs gegeben wie in Kärnten. Die kämpferische Abwehr der Bevölkerung gegen den Landraubversuch der fremden serbokroatoslowenischen Südslawen hat einerseits die Siegermächte dazu bewogen, eine Sondervolksabstimmung anzusetzen, die als erster demokratischer Selbstbestimmungsakt für Kärnten und damit für Österreich endete. Andererseits hatte schon die Kärntner Landesversammlung nach Zerfall der Donaumonarchie beschlossen, dass das Herzogtum Kärnten als Ganzes der neuen Republik Deutsch-Österreich beitreten solle: etwas, das kein anderes Bundesland so vollzog. Ganz im Gegenteil wollten z. B. Tirol, Salzburg und wohl auch die Steiermark der Weimarer Republik beitreten, und Vorarlberg wiederum wollte zur Schweiz, was die Siegermächte jeweils untersagten.
Status der Minderheiten in Österreich und Slowenien: noch immer keine Reziprozität
All diese Dinge haben die Identität, das Selbstbewusstsein und die Heimatliebe der Kärntner geprägt. So ist es auch bei den windischen Kärntnern, die Kärntner und nicht Nationalslowenen sein wollten und wollen und auch eher der deutschen Kultur zuneigen. Eine kleine, verfassungsmäßig anerkannte autochthone Minderheit sind auch die Slowenischkärntner. Mit geschätzten 5.000 Angehörigen stellen sie etwa fünf Prozent der Südkärntner und ca. ein Prozent der Gesamtkärntner, haben im europäischen Vergleich jedoch beträchtliche Sonderrechte in Ausbildungs-, Medien-, Wirtschafts- und Gerichtsangelegenheiten und vielem mehr. Das Heimatbewusstsein und Österreichzugehörigkeitsgefühl der Kärntner Slowenen ist unbestritten, auch wenn 1920 noch für Jugoslawien gestimmt wurde; ihr Kulturanteil ist allgemein anerkannt. Dass es trotz „Ortstafellösung“ mitunter Schwierigkeiten gibt, hängt auch mit der restriktiven Haltung des Nachbarstaates gegenüber seinen deutschen Mitbürgern zusammen, die dort noch immer nicht als Volksgruppe anerkannt werden.
So manche Kärntner Eigenheit erklärt sich aus der nicht immer einfachen Landesgeschichte
Die Renner und Brenner der Türken und Kuruzzen hatten das Land häufig vollständig verwüstet. Da es selten einen „zentralen“ Fürsten hatte, sondern zwischen den Bischöfen von Bamberg, Aquileia und Salzburg sowie einigen Adligen aufgeteilt, mußten sich die alleingelassenen Einwohner selbst wehren. Später war ganz Kärnten samt Adel und allen Bewohnern nach der Reformation evangelisch. Nur mit militärischer Gegenreformationsgewalt erreichte der Habsburger Bischof Brenner (sic!) eine Teilrekatholisierung. Der Geheimprotestantismus jedoch hielt sich und erholte sich nach dem Toleranzedikt von Josef II. sogar wieder. Auch die napoleonische Zweiteilung des Landes wurde erlebt und überwunden. So darf man sich über Kärntner Eigenheiten nicht wundern.
Daher überrascht es nicht, daß es auch bezüglich der Zeit der NS-Diktatur Eigentümlichkeiten gab. Dem Aufruf von Kardinal Theodor Innitzer und Karl Renner, bei der Abstimmung am 10. April 1938 über den Anschluß mit „Ja“ zu stimmen, schloß sich auch die Slowenenführung an. Nachwirkungen bis heute hatten der Einfall der Wehrmacht in Jugoslawien, die Partisanenkämpfe um den Anschluß Kärntens an Jugoslawien, die Verschleppung von Slowenen, der Einmarsch von Jugo-Truppen gegen Weltkriegsende, dem die schon zuvor hier eingetroffenen Briten einen Riegel vorschoben, sowie die Verschleppung und Ermordung von Deutschkärntnern nach dem Weltkriegsende. Bemerkenswert ist in dieser Periode auch die Einrichtung einer von demokratischen Parteien gebildeten Regierung schon vor dem Einmarsch fremder Truppen. Die andauernden Auseinandersetzungen in der Schulfrage, um die Bewertung von Denkmälern, um die Amtssprache u.a.m. spielen daher bis heute politisch immer wieder eine Rolle.
Ausgeprägtes Brauchtum, Sprachklang und Mundart tragen stark zum Kärntner Selbstbewußtsein bei.
Mag sein, daß einiges anderswo vielleicht aus Unkenntnis auf Nichtverstehen hinausläuft, weil es all die angeführten Fährnisse dort eben nicht gab. Doch zeigen die Kärntner viel Einsatz für Gemeinsames. Gemeinsam sind sie stets für ihre Heimat eingestanden. Gemeinsam haben sie auch etliches erreicht. Das friedliche Zusammenleben ist ihnen viel wert, und dank ihrer Erfahrungen können sie – nicht nur wirtschaftlich – auch in Europa viel einbringen: Der Umgang mit Minderheiten wurde z.B. auch von den drei „EU-Weisen“ während der Sanktionszeit gegen Österreich im Jahr 2000 anerkannt; Österreichs „Silicon Valley“ Infineon liegt bei Villach, dazu kommen der „Lake Side Park“ Klagenfurt und die moderne Universität ebendort. „Das ist mein herrlich Heimatland“, heißt es in der Kärntner Landeshymne, und das ist ernstgemeint – denn bodenständiges Brauchtum bei Tracht, Gesang und Volksmusik trägt ebenso wie Sprachklang und Mundart zum Kärntner Selbstbewußtsein bei.
Nachbarschaftliche Zusammenarbeit
Aufgrund des jahrhundertelangen Zusammenlebens im selben Staat, vom deutschen Römerreich bis zum postnapoleonischen österreichischen Kaisertum, haben sich natürlich auch gegenseitige Beeinflussungen ergeben. In glückhafter Weise hat sich im südlich anmutenden klimatisch begünstigten Kärntnerland mit seinen Seen und Bergen auch ein wenig italienisch angehauchtes Flair ergeben. Das Meer „vor der Haustür“ bzw. typische Kärntner Brauchtumsfeste sorgen neben anderem für gegenseitigen Besuch und Austausch. Auch die Renaissancestadt Klagenfurt läßt ein solches Miteinander erfühlen. Auch im Verhältnis mit dem slowenischen Nachbarland gibt es etliche verbindende kulturelle, sportliche und sonstige Anlässe. So ist bei allen jeweiligen Eigenheiten der vielzitierte Alpen-Adria-Raum ein Ansatzpunkt für europäisches Miteinander. Zahlreiche entsprechende Verbindungen bestehen auch im europapolitischen Raum: Die Alpen-Adria-Arbeitsgemeinschaft mit Sitz in Klagenfurt, die regionale Themen aller Art bearbeitet, die Arbeitsgemeinschaft der Donauländer, die Alpenkonvention und die Mitarbeit im Rahmen des Europas der Regionen. Natürlich gibt es laufend Gespräche und Verhandlungen mit den unmittelbaren Nachbarn Friaul-Julisch-Venetien und Slowenien, wie erwähnt in Bezug auf die verfassungsmäßige Anerkennung der deutschen Altösterreicher ebendort bisher leider vergeblich.
Reiches Kulturschaffen von Robert Musil über Udo Jürgens bis zu Peter Handke
Das Pflegen und Erhalten der Naturlandschaft ist hierzulande eine Herzensangelegenheit, was die zuletzt per Volksbefragung erfolgte Ablehnung des landschaftsbeeinträchtigenden Ausbaues der Windkraft zeigt. Die Schönheit des Landes, das südlich anmutende Klima und die Naturparks im Tauerngebiet sind Goldes wert. Apropos: Der früher dominierende Bergbau spielt nur mehr bei der Magnesitverwertung eine Rolle. Mit Stolz wird auf Burgen und Schlösser, Klöster und Kirchen, auf Darstellungen der Geschichte von Kelten, Römern, Slawen und Deutschen durch entsprechende Ausgrabungen und historische Forschung samt großartigen Museen sowie auf alte und moderne Architektur hingewiesen. Erhebliche Beiträge im Literaturbereich sind z.B. die wirklich einmaligen „Tage der deutschsprachigen Literatur“, Robert Musil und Nobelpreisträger Peter Handke. Aus der Musik sei Weltstar Udo Jürgens ebenso erwähnt wie die Gustav-Mahler-Musik-Universität. In der bildenden Kunst sind die exzeptionelle Heidi-Horten-Stiftung, der Nötscher Kreis, die weltbekannte Kiki Kogelnik, Werner Berg und Giselbert Hoke beispielhaft zu nennen.
Im Sinne des Grillparzerschen Monologes von Ottokar von Hornek kann man sagen: Der Kärntner ist froh und frank, trägt seinen Fehl, trägt offen seine Freuden, beneidet nicht, läßt lieber sich beneiden!