von Reinhild Bauer
Brauchtum (11)
Die Zeit der Sonnwende ist auch die Zeit der Kräuterhexen. Die Pflanzen sind nun, ebenso wie die Sonne, hinsichtlich ihrer Wirkstoffe im Höchststand. Ob ein starker Tee, Kräuter zum Räuchern oder ein Haussegen gewünscht werden – jetzt ist die Zeit, all das zu beschaffen. Unsere eng mit der Natur verbundenen Vorfahren erkannten bereits die große Kraft der Kräuter und Heilpflanzen um diese Zeit des Jahres und wußten sich diese zunutze zu machen. In einigen Bräuchen und Riten sind uns die alten Mittel und Methoden überliefert worden:
Das Sonnwendbüscherl oder Sonnwendkranzel ist ein vor allem in den Alpenregionen gepflegter Brauch. Es werden traditionell sieben oder neun verschiedene Wildkräuter gesammelt, die je nach Region unterschiedlich sind, innerhalb einer Region jedoch festgelegt. Als Ausnahme kann Gröbming gelten, wo unbedingt vierzehn Kräuter gesammelt werden müssen, um jeden Apostel darzustellen. Wichtig ist, daß die Blüten allesamt weiß, gelb oder orange sind, denn sie sollen die Sonne symbolisieren. Die Kräuter werden frisch als Kranz oder Strauß gebunden und sodann über die Haustüren oder in den Herrgottswinkel gehängt. Den Wirkstoffen der Pflanzen wird die Kraft zugeschrieben, ein Jahr vor Unheil, Krankheit und Naturgewalten zu schützen. In manchen Regionen werden die Sonnwendbüscherl übers Jahr bei drohendem Unheil auch gezielt eingesetzt, indem kleine Teile davon im Herdfeuer verbrannt werden.
Das Räuchern erfreut sich ebenso bis heute großer Beliebtheit und wird in sehr unterschiedlichen Ausprägungen begangen. Während in manchen Tälern frische Kräuter im Sonnwendfeuer verbrannt werden, wird andernorts mit brennenden Kräutern durch Haus und Hof gezogen. Eine andere Anwendung ist, die Kräuter zur Sonnwend zu sammeln, zu trocknen und erst bei Bedarf damit zu räuchern. Hierzu werden die Pflanzen teilweise kurz ins Sonnwendfeuer gehalten, um ihre reinigenden und heilenden Kräfte noch zu stärken.
Besondere Bedeutung kommt dem Johanniskraut zu, welches zur Sonnwend ganz besonders stark ist. Es galt lange als Symbol des Lichtes und der Sonne, da es mit seinen goldgelben Blüten wie viele kleine Sonnen aussieht. So wurde es zu einem zentralen Element des Kultes zur Sonnwendzeit. Sein germanischer Name „Dunderblume“ entspringt der Verwendung gegen Donner bzw. Unwetter insgesamt. Der heute geläufigere Name Johanniskraut kommt vom Zeitpunkt der Blüte rund um den Geburtstag Johannes des Täufers am 24. Juni. Verwendung findet es in Tees, Räucherritualen, dem Sonnwendbüscherl sowie weiteren, allerdings heute nicht mehr gepflegten Bräuchen.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.