Prinz Eugen im Banat – vom Feldherren zur Sagenfigur

Neue Serie: Mythen, Sagen, Wundersames (IV)

von Alain Felkel

Als Mensch war er von kleiner Statur, als Feldherr ein Titan: Prinz Eugen von Savoyen. Erst seinem strategischen Können ist es zu verdanken, daß das Banat Anfang des 18. Jh. von den Türken befreit und gegen osmanische Rückeroberungsversuche behauptet werden konnte. Eugens Siege waren so legendär, daß er im Banat zur Sagenfigur wurde.

Einen kleinen Mann sollte man niemals unterschätzen. Diese Erkenntnis muß König Ludwig XIV. von Frankreich innerlich zerfressen haben, wenn er in späten Jahren an Prinz Eugen von Savoyen-Carignan dachte. Der Sonnenkönig hatte dem kurzbeinigen Gnom mit den hängenden Schultern, Hasenzähnen sowie der Stupsnase eine Offizierslaufbahn in der französischen Armee verweigert und stattdessen eine Stelle als Abbé zugewiesen. Der junge Savoyarde war daraufhin in Frauenkleidern aus Versailles entflohen und nach Wien geeilt, wo Kaiser Karl VI. von Habsburg ihn mit offenen Armen empfangen und in seiner Armee aufgenommen hat.

Seit seinem Eintritt in die kaiserliche Streitmacht hatte Prinz Eugen von Savoyen sich im Großen Türkenkrieg von 1683-1699 vom einfachen Kavalier zum Feldmarschall Österreichs hochgedient und die Türken im Banat, bei Zenta an der Theiß, am 11. September 1697 vernichtend geschlagen. Bei nur 429 Mann eigenen Verlusten hatten die Kaiserlichen an die 25.000 Osmanen getötet, verwundet oder gefangengenommen. Kein Wunder, daß ein so gewaltiger Sieg Eingang in die Volkssagen des Banats fand.

Von gruseligen Leichenbergen und erdolchten Haremsdamen

Denn der Sage nach sind die Hügel, die bei Zenta zwischen Tschoka und Sanad liegen, in Wahrheit nicht natürlichen Ursprunges, sondern türkische Grabhügel, weswegen sie im Volksmund auch „Türkengräber“ genannt werden. Ein Hügel wurde jedoch in der Sage noch einmal besonders dramatisch erhöht: der Wujana-Hügel. Hier habe sich der Legende nach Unglaubliches zugetragen, hier soll der flüchtige Sultan Mustapha seine Lieblingsfrau Wujana auf der Flucht erstochen haben, worauf jeder von den vorbeifliehenden Türken eine Handvoll Erde auf die Tote geworfen habe. Der auf diese Weise entstandene Hügel wurde daraufhin zum Wallfahrtsort für türkische Pilger, die das Schicksal der Erdolchten mitsamt der türkischen Gefallenen betrauerten.

Bei der Sage fällt eine Ungereimtheit ins Auge: Nicht der türkische Sultan Mustapha II. war bei der Schlacht anwesend, sondern sein Großwesir Damat Ali, der zum Zeitpunkt der Flucht des Osmanischen Heeres bereits gefallen war. Doch dieser Umstand schmälert nicht den Unterhaltungswert und Wesensgehalt der Sage.

Die Sage von der Breuner-Eiche und der Patronin der Maria Schnee

Der Sieg von Zenta war nur eine Zwischenstation auf dem Weg Eugens zum Türkenschreck. Seine größte Bewährungsprobe kam, als das Habsburgerreich 1716 auf venezianischer Seite in den Krieg gegen die Osmanen eintrat und nun selbst wieder zum Ziel der Türken wurde. Wiewohl die folgenden Ereignisse nicht im Banat selbst spielen, sind sie doch untrennbar mit dessen Geschichte verknüpft, da sie zur Eroberung des Banats führten und sagenhaft überliefert wurden.

Die Hohe Pforte jedenfalls setzte im Sommer 1716 sofort ein 150.000 Mann starkes Heer in Marsch, das auf die von den Kaiserlichen gehaltene Festung Peterwardein zumarschierte. Eugen konzentrierte 70.000 Mann nahe der Festung und schlug dort sein Lager auf. Bei einem Gefecht der kaiserlichen Vorhut gegen die Türken wurde Feldmarschalleutnant Wenzel Siegfried von Breuner von den Osmanen am 2. August 1716 gefangengenommen.

Als der Prinz die Türken nur drei Tage später bei Peterwardein vernichtend schlug, folterten und enthaupteten sie Breuner auf grausamste Weise, wie Eugen am 11. August 1716 in einem Brief an den Grafen von Sinzendorf unterstrich:„ (…) der Verlust zweier Offiziere, nämlich des Generaladjutanten Graf Palffy und des Feldmarschalleutnants Breuner, wird in der ganzen Armee bedauert. Der Letztere ist auf die unmenschlichste Art niedergemetzelt worden. Sein Körper lag mit Ketten an Hals und Füßen beladen, noch warm im Blute bei dem Zelte des Großwesirs, und sein Kopf befand sich mit andern an einem Pfahle aufgesteckt. Dieses Schicksal war auch uns, wenn wir unterlegen wären, vorbestimmt.“

Literarische Bearbeitung in Sage und Ballade

Der Sieg von Peterwardein und der Mord an Feldmarschall Breuner fanden nicht nur den Weg in die Geschichtsbücher, sondern auch in die Sage. Die Legende vermeint, den Ort von Breuners Hinrichtung genau verorten zu können und deutet die Eiche neben der Peterwardeiner Wallfahrtskirche Maria Schnee als Marterpfahl des Gequälten. Drei Tage und drei Nächte soll Breuner an dieser Stelle verbracht haben, bevor der Großwesir ihn enthaupten ließ. Obwohl diese Version nicht absolut verifizierbar ist, klingt sie zumindest plausibel.

Einer weiteren Legende nach schenkte Prinz Eugen der Kirche neben der Breuner-Eiche ein Bild der Helferin und Patronin der Maria Schnee, der Gottesmutter mit Kind. Das Bild wurde zum Gegenstand großer Verehrung, weil ihm eine wundertätige Macht zugeschrieben wurde, und die Kirche somit zum Wallfahrtsort der Wundergläubigen.

Der Brunnen von Temeswar

Wunder wirkte der Prinz der Sage nach auch weiterhin während des anschließenden Feldzuges im Banat. Dieser endete noch im Laufe des Jahres mit der Eroberung von Temeswar und bescherte dem Reich das Banat. Die Temeswarer wußten es dem Prinzen zu danken. Noch heute trägt ein Brunnen im Ort Jahrmarkt (Giarmata) bei Temeswar seinen Namen, was mit einer Sage verbunden ist:

Bei der Belagerung von Temeswar soll Prinz Eugen hier mit seinem Heer gelagert haben, das fürchterlich unter der Sommerhitze litt und kein Wasser zur Verfügung hatte. Eugen wußte Abhilfe. Festen Glaubens richtete er seine Gebete zum Himmel und flehte um das erquickende Naß. Der göttliche Rat ließ nicht lange auf sich warten und wies Eugen den rechten Weg zu einem Weidenbaum. Mit traumwandlerischer Sicherheit bohrte der Prinz seine Säbelspitze in den Baum, aus dem plötzlich klares Wasser zu sprudeln begann. Das kaiserliche Heer war gerettet. Der Quell stärkte der Sage nach Roß und Reiter, sodaß die Festung doch noch erobert werden konnte. Der Baum aber wurde gerodet, die Quelle als Brunnen gefaßt und zur Wasserversorgung der Gegend eingesetzt.

Die Sage greift einen wichtigen Aspekt der Belagerung von Temeswar auf. Historisch gesichert ist nämlich, daß das Belagerungsheer durch Wassermangel und Krankheiten schwer dezimiert wurde und Prinz Eugen drauf und dran war, die Belagerung der Stadt abzubrechen. Zum Glück kapitulierte die türkische Besatzung, noch bevor der Prinz mit seinem Heer abzog, wodurch das Banat endgültig österreichisch wurde.

Die Schlacht von Belgrad

Im Frühjahr 1717 wurde der Türkenkrieg fortgesetzt. Das kaiserliche Heer unter Prinz Eugen von Savoyen belagerte das von den Türken besetzte Belgrad. Was jedoch mit einem spektakulären Donauübergang in der Nähe Belgrads begonnen hatte, drohte zum Fiasko zu werden. Wider Erwarten war der türkische Oberbefehlshaber, Großwesir Chalil Pascha, mit 150.000 Mann den Belagerten zu Hilfe geeilt, um die Stadt zu entsetzen. Gleichzeitig versuchte ein türkisches Korps, das Banat zurückzuerobern.

Wochenlang belauerten einander die kaiserliche Belagerungsarmee und das osmanische Entsatzheer, das den kaiserlichen Truppen haushoch überlegen war. Dann griff Prinz Eugen die Osmanen am 16. August 1717 völlig überraschend an und schlug sie nach hartem Kampf. Die Türken mussten 15.000 Tote und Verwundete hinnehmen, 5.000 Mann ergaben sich. Kurz darauf kapitulierte Belgrad. Die Niederlage hatte schwerwiegende Konsequenzen für die Türken. Sie zog ihren Abzug aus dem Banat nach sich und bewog die Hohe Pforte dazu, den Venezianisch-Österreichischen Türkenkrieg 1718 zu beenden. Eugen hatte das Banat davor bewahrt, wieder unter türkische Herrschaft zu geraten – und dem Wiener Hof dessen Beherrschung gesichert.

Prinz Eugen, der edle Ritter

Der Sieg von Belgrad bedeutete für den Prinzen nicht nur die Krönung seiner militärischen Laufbahn, er machte ihn zum Mythos. Anteil daran hatte nicht der Prinz, sondern ein anonym gebliebener Textdichter. Der unbekannte Poet dichtete das bereits 1683 nach der Schlacht am Kahlenberg entstandene Volkslied Als Chursachsen das vernommen auf den Prinzen um und erschuf mit Prinz Eugen, der edle Ritter einen bis heute geläufigen „Hit“. Weder Friedrich der Große, noch Napoleon, Wellington oder Moltke sind über die Jahrhunderte hinweg so besungen worden wie Prinz Eugen von Savoyen.

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