von Reinhild Bauer
Brauchtum (32)
Ein warmer Sommermorgen auf einer abgelegenen Alm im Salzkammergut. Vor den urigen Hütten sitzen in großen und kleinen Runden nahezu 100 Menschen in Tracht und spielen alpenländische Weisen auf der Seitelpfeife, auch Schwegel genannt, begleitet von Trommeln und Maultrommeln. Was einen sehr friedlichen Eindruck vermittelt, entstand nach hartem Ringen der Pfeifer im Laufe der letzten Jahrhunderte und ist heutzutage ein begehrter Anziehungspunkt für Schaulustige.
Die Schwegel oder Seitelpfeife ist eine klappenlose Querflöte aus Holz mit einem Mundloch und sechs Grifflöchern, die einen langen Werdegang hinter sich hat und aus jeder Verwendungsform einen eigenen Namen mitbekommen hat. Aus ihrer Zeit als Heeresinstrument stammen die Begriffe Feldpfeif und Schweizerpfeif. Im 18. Jh. spielte sie beim Militär eine große Rolle und wurde nur von Trommeln begleitet. Aber auch in den Werken von klassischen Komponisten wie Michael Haydn und Leopold Mozart kam sie zum Einsatz. Ende des 17. Jh. konnte die Schwegel im bäuerlichen Lebensbereich Fuß fassen.
Umwälzungen der musikalischen Welt und politische Änderungen führten Anfang des 20. Jh. beinahe zum Verschwinden dieser Instrumente. Doch im Salzkammergut regte sich Widerstand: Der „Ischler Kahls“, wie sie den Bergmeister Leopold Kahls aus Bad Ischl nannten, rief in der Not zu einem Pfeifertreffen am 15. August 1925 auf der Blaa-Alm auf. Dieses Urtreffen bestand aus 15 begeisterten Pfeifern, die sich vornahmen, aktiv Schüler zu suchen, sie dieses Instrument zu lehren und im Folgejahr mit diesen wiederzukehren. So begann die junge Tradition des Pfeifertages. Fast vierzig Jahre lang blieb der Ischler Kahls der Pfeifervater und hatte damit die Organisation und Betreuung der Schwegler inne. Seine Nachfolger waren ebenso hervorragende Pfeifer und versuchten den Grundgedanken dieses Tages aufrechtzuerhalten.
Dies gestaltete sich als Herausforderung, denn bereits vier Jahre nach dem Urtreffen wurde eigens für die Übertragung dieses Ereignisses im Radio ein Kabel von Bad Ischl auf die Blaa-Alm gelegt. Dies führte zu einem rasanten Anstieg der Pfeifenspieler, aber eben auch der Zaungäste. Bald schon war die Zahl der Zuschauer größer, als es diesem Fest zuträglich war, und so manch andere Musikanten und Volksmusikgruppen versuchten, sich ins fröhliche Gewühl zu mischen. Manche Pfeifergruppe zog sich auf der Suche nach Ruhe auf benachbarte Almen zurück. Das Bemühen der Organisatoren, den Ursprungsgedanken aufrechtzuerhalten, führte zu der Regel, daß der wechselnde Austragungsort stets nur durch Mundpropaganda weitergesagt werden dürfe und andere Instrumente als das anfängliche Dreigespann erst am Nachmittag dazustoßen dürften.
In seiner Art einzigartig geblieben ist der Pfeifertag bis heute. Die Zusammensetzung aus urigem Austragungsort und unvermischter traditioneller Volksmusik läßt ihn zum Festtag des Schwegelns werden und zeigt, wie schön unverfälschtes Brauchtum sein kann.
Über die Autorin:
28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.