von Caroline Sommerfeld
Die katholische Kirche gedenkt jeden Tag im Morgengebet mehrerer Heiliger, Seliger und Bekenner, die den Märtyrertod erlitten haben. Das „Römische Martyrologium“, aus dem die Namen im Chor verlesen werden, verzeichnet hauptsächlich solche Märtyrer, die in den Christenverfolgungen der Spätantike zu Tode gefoltert oder vor Publikum in abschreckender Weise ermordet wurden – doch bis in die Gegenwart hinein wird der Heiligenkalender stetig ergänzt.
Ein Märtyrer ist nicht einfach Opfer tödlicher Gewalt, sondern er stirbt aufgrund seines Glaubens, den er auch in Todesgefahr nicht verraten will: „Der Märtyrer stirbt nicht aus Stolz oder um seine Überlegenheit zu demonstrieren (…). Er stirbt nicht, weil er die Gefahr nicht erkannt hat, aus Dummheit oder Unvorsichtigkeit, sondern weil er sie richtig eingeschätzt hat und sich auf Gott verläßt.“ (fsspx.news.de)
Die Deutsche Marta Klomfass (1903–1945) trat als junge Frau in den im 16. Jh. gegründeten Orden der „Kongregation der Schwestern von der heiligen Jungfrau und Martyrin Katharina“ ein, wo sie den Ordensnamen Maria Christophora annahm. 1937 wurde sie Krankenschwester und Lehrerin an der Krankenpflegeschule am Marienkrankenhaus im ostpreußischen Allenstein, im Ermland an der Masurischen Seenplatte gelegen.
1945 wurden Schwester Maria Christophora und ihre Gefährtinnen in Allenstein von sowjetischen Soldaten überfallen. Die Schlacht um Ostpreußen fand vom 13. Jänner bis zum 25. April 1945 statt und war die blutigste und längste des letzten Kriegsjahres. Am 20. Jänner stieß die Rote Armee über Allenstein bis zum Frischen Haff vor. Die Folgen des sowjetischen Durchbruchs wurden für die Bewohner Ostpreußens zur Katastrophe: Der Gau wurde vom Deutschen Reich abgeschnitten, und die Bewohner versuchten, sich in Trecks nach Westen durchzuschlagen oder die Ostseehäfen zu erreichen. Für diejenigen, die von der Roten Armee eingeholt oder überrollt wurden, bedeutete dies in den meisten Fällen Verschleppung, Vergewaltigung oder Tod.
Von der Roten Armee massakrierte Nonnen
Die Ordensschwestern von Allenstein verließen ihr Krankenhaus nicht, sondern versuchten, so lange wie möglich für die Kranken, Waisen und Verwundeten zu sorgen. Die erste, die von den Soldaten zu Tode gefoltert wurde, war Schwester Maria Christophora. Am 22. Jänner 1945 drangen Soldaten der Roten Armee in den Bunker des Krankenhauses ein, in dem die Schwester und ihre Patienten Schutz gesucht hatten. Dort wurde sie geschlagen und mit einem Bajonett erstochen. Schwester Maria Liberia wurde am 22. Januar 1945 von einer Kugel getroffen, als sie auf der Straße war, um Lebensmittel für das Krankenhaus zu beschaffen. Schwester Maria Leonis wurde von sowjetischen Soldaten vergewaltigt und am 27. Januar mit anderen Schwestern zusammen inhaftiert. Am 9. Februar wurde sie in das Lager Zichenau verlegt, am 16. März nach Rußland deportiert, wo sie wahrscheinlich am 5. Juni 1945 an den Folgen der erlittenen Gewalt starb. Schwester Maria Gunhild erkrankte während ihres Dienstes im Marienkrankenhaus an Lungentuberkulose. Am 14. Februar 1945 wurde sie im Sanatorium in Wormditt von Sowjetsoldaten vergewaltigt, geschlagen, gefoltert und am 30. Mai 1945 erschossen.
Für fünfzehn der Katharinenschwestern ist ein solches oder ähnliches Schicksal dokumentiert – ich konnte hier nur beispielhaft einige Namen herausgreifen. In der Pressemeldung der APA las ich, daß die Nonnen „nach Auffassung des Vatikans wegen ihres Glaubens getötet“ wurden. Dieser Satz legt nahe, daß man auch anderer Auffassung sein könne, etwa der heute unter dem unerträglichen Schlagwort „Femizide“ verbreiteten, daß sie sterben mußten, weil sie Frauen waren.
Kurienkardinal Marcello Semeraro hat am 31. Mai 2025 die ostpreußischen Ordensfrauen seliggesprochen. Als Voraussetzung für die hohe kirchliche Ehre hatte die vatikanische Heiligsprechungsbehörde den Märtyrertod der Frauen um Schwester Maria Christophora (Klomfass) anerkannt. Seliggesprochen werden kann ein Mensch unter anderem aufgrund seiner Hingabe des Lebens – gemeint sind Christen, die aus Nächstenliebe „frei und freiwillig“ den Tod auf sich genommen haben. Anders als Heiligsprechungen, die in Rom stattfinden, können Selige am Ort ihres Wirkens geehrt werden. Die Seligsprechung der Katharinenschwestern erfolgte in der Kleinstadt Braunsberg, wenige Kilometer südlich von Königsberg. Die Zeremonie am 31. Mai wurde von der hohen Geistlichkeit und etwa 10.000 emotional sehr bewegten Gläubigen besucht.