von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (67)
Weltweit ist der Name Hertz bekannt. Nach Heinrich Hertz, der für freien Forschergeist steht, ist z. B. der im Internationalen Einheitensystem definierte Schwingungswert „Hertz“ (Hz) als Maß für die Frequenz, die Geschwindigkeit von Wellen aller Art, benannt. Weniger bekannt als dieser Physiker, jedoch auch beachtenswert ist sein Neffe Gustav Hertz, der vor 50 Jahren verstarb.
Der am 22. Juli 1887 in Hamburg geborene Gustav Hertz studierte Physik und Mathematik in München, Göttingen und Berlin. In Berlin promovierte er 1911 und wirkte anschließend als Assistent am Physikalischen Institut der Universität Berlin. Für Versuche, die er 1912/13 zusammen mit dem Physiker James Franck durchführte, erhielten diese beiden 1926 den Nobelpreis für Physik rückwirkend für 1925. Am Ersten Weltkrieg nahm Hertz als Offizier teil und wurde 1915 in Polen bei einem Gasangriff schwer verwundet. Für mehrere Monate mußte er im Lazarett bleiben und wurde danach aus der Armee entlassen.
Nach seiner Habilitation 1917 lehrte Hertz drei Jahre lang als Privatdozent an der Universität Berlin und ging 1920 in die Niederlande. Dort arbeitete er für fünf Jahre im Laboratorium der Glühlampenfabrik Philips in Eindhoven als wissenschaftlicher Mitarbeiter. 1925 wurde er als ordentlicher Professor für Physik an die Universität Halle berufen. 1928 übernahm er diese Funktion an der TH Berlin-Charlottenburg, wo er auch Leiter des Physikalischen Institutes war.
Wegen seiner jüdischen Vorfahren ab 1935 ohne Prüfungsbefugnis, betrieb Hertz während des Zweiten Weltkrieges bei den Siemens-Werken in Berlin u. a. Atomforschung. Deshalb wurde er von den Sowjets kurz nach der Einnahme Berlins 1945 ans Schwarze Meer gebracht, wo er ein Forschungslabor leitete, an dem viele weitere deutsche und sowjetische Spezialisten tätig waren. Sie arbeiteten dort u. a. an der Trennung von Isotopen und der Anreicherung von Uran im industriellen Maßstab.
Im Jahr 1954 übersiedelte Hertz in die DDR und hatte daselbst bis 1961 einen Lehrstuhl für Experimentalphysik an der Universität Leipzig inne sowie die Leitung des dortigen physikalischen Institutes. In Ost und West genoß der stille, bescheidene Pionier der Quantenphysik höchstes Ansehen und wurde mit Ehrungen überhäuft. Am 30. Oktober 1975 starb Gustav Hertz mit 88 Jahren in Berlin. Beigesetzt wurde er in Hamburg im Familiengrab, in dem auch sein Onkel Heinrich Hertz begraben liegt.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.