Kunsthandwerk – alte Liebhaberei oder Zukunftsträger?

von Reinhild Bauer

Brauchtum (15)

Kunsthandwerk steht im engen Wechselspiel mit altem Brauchtum – viele Bräuche entwickelten sich schließlich in den einzelnen Handwerkszünften, und nur durch den Erhalt der entsprechenden Berufe können daher auch die Bräuche weiterleben. Zudem sind bei vielen Bräuchen kunstvoll gearbeitete Gegenstände als Hilfsmittel zu deren Vollziehung nötig. Man denke nur an die aufwendig geschnitzten und bemalten Masken von Perchten und Krampussen, die zierlichen Stickereien und Verzierungen an Festtrachten und die exakt gestrickten Herrenstutzen mit Zopfmustern.

Daß die Stutzen der Männer auf Familie und Generationenfolge schließen lassen, ist heute kaum noch bekannt, doch wer die aufwendigen Muster zu deuten weiß, der erhält sogleich einen Einblick in Familienstand und Herkunft des Trägers. Schon eher bekannt ist, daß die Zier und Stoffwahl der Dirndl die regionale Zugehörigkeit und den Familienstatus verraten können. Aber nur, wenn auf alte Handwerkskunst zurückgegriffen wird, denn mit der Massenware von der Stange gehen diese Details verloren.

Kunsthandwerk verbindet das Nützliche mit dem Schönen und ist immer ein Abbild der Lebensweise der Ursprungsregion. Der Zirbenschrank des heimischen Tischlers mit traditionellen Zierelementen haucht der eigenen Wohnung mehr Individualität ein als ein Kasten von Ikea. Eine Vase des Glasbläsers oder Keramikers aus dem Nachbardorf zeigt eher einen soliden Geschmack als Massenware von Amazon. Um außerdem mit den Schlagworten unserer Zeit zu sprechen: Heimisches Handwerk aus regionalen Rohstoffen ermöglicht Nachhaltigkeit und einen kleineren „ökologischen Fußabdruck“.

Auf den in jedem Sommer zahlreich stattfindenden Kunsthandwerksmärkten jedenfalls finden sich reichlich Holzwaren, Textilien und Ziergegenstände für den Alltagsgebrauch. Ein Einkauf unterstützt die heimische Wirtschaft, und ein Gespräch mit dem Handwerker über Herstellungsprozeß und Eigenheiten seines Produktes ermöglicht den Aufbau eines wirklichen Bezuges zum Gegenstand.

In jedem von einem Handwerker oder Künstler gefertigten Stück steckt auch ein wenig Selbstverwirklichung, ein Teil seiner künstlerischen Seele. Die häufig anzutreffende Leidenschaft der Hersteller für Handwerk und Werkstück geht mit der engen Verbindung zur eigenen Zunft einher und mit der Anwendung alten Wissens. Die daraus erwachsenden Gegenstände sind somit ein Stück Tradition.

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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