Monatszeitschrift für Politik, Volkstum und Kultur.

Kronenfest der Siebenbürger Sachsen

von Reinhild Bauer

Brauchtum (43)

Das feierliche „Baumbesteigen“ der Siebenbürger Sachsen ist der Brauch, der sich nach der Vertreibung mit einigen kleinen Anpassungen zu ihrem bekanntesten und beliebtesten Erbstück  entwickelte – das Kronenfest, bei welchem ein geschmückter Baum ähnlich dem bekannten Maibaum aufgestellt wird.

 Den Ursprung hat das Kronenfest in zahlreichen Dörfern Mittel- und Südsiebenbürgens. Seit 1764 ist dieses Fest am Johannistag, dem 24. Juni, schriftlich festgehalten. Heute wissen wir aber, daß es je nach Dorf eine anderes Datum gab. Die zwei großen kirchlichen Feiertage im Juni, der Johannistag und der Peter- und Paulstag am 29. Juni sind der Rahmen, wobei auch der Sonntag in diesem Zeitraum in einigen Kirchenaufzeichnungen als Austragungsdatum zu finden ist. Während am Johannistag die Wiesen für die erste Mahd freigegeben wurden, besagte eine Bauernregel, daß am 29. Juni das Korn zu wachsen aufhöre. In allen Fällen gilt dieser Brauch als Erntebittfest und ist der letzte große Feiertag, bevor die Feldarbeit beginnt. Der Austragungsort war zumeist der Kirchenplatz.

Das Kronenfest galt in der alten Heimat als Fest der bäuerlichen Jugend. Die Burschen fällten einen Kronenbaum im Wald, der zwischen vier und zwanzig Metern lang sein konnte und ein Tannen-, Fichten-, Buchen-, Kiefern-, Linden- oder Eichenstamm sein mußte. Dieser wurde anschließend geschält, geglättet und mit der Krone geschmückt am Vorabend oder am Morgen des hohen Tages aufgestellt. Die Mädchen hingegen hatten das Amt des Kronebindens über. Sie gilt als Symbol für die Sonne in ihrem Höchststand und repräsentiert zudem die Sommersonnenwende. Ihre Form variierte stark zwischen Baumkronen, Hängekronen, doppelter oder einfacher Ausführung und mit oder ohne Rad. In manchen Dörfern mußten die Mädchen Hutsträuße für die Burschen binden, welche am nächsten Tag dann gegen Kuchen und andere Naschereien getauscht wurden, bei den sogenannten „Heischegängen“.

Weitere, in ihrer Ausführung variierende, aber fixe Bestandteile dieses Tages sind der Gottesdienst in traditioneller Tracht zu Beginn. Sodann folgt das Erklettern des Kronenbaumes durch einen Alt- oder Jungknecht, Burschenschafter oder Konfirmanden. In der Krone angekommen findet er dort eine Flasche Wein zur Stärkung. Daraufhin muß er im Idealfall in Mundart eine Kronenpredigt schwingen und als krönenden Abschluß Backwaren für die Kinder hinabwerfen. Nach diesem Höhepunkt folgen gemeinsame Lieder wie „Af deser Ierd“ oder „Siebenbürgen, Land des Segens“ und fröhlicher Tanz. Aus Leblang ist zudem noch ein Flurumritt überliefert, wobei die Krone im Feld versteckt wurde und von den Burschen zu suchen war.

Seit den 1980er-Jahren wurde dieser Brauch im Gebiet der BRD und Österreich wieder bewußt belebt. Die Feiern sehen oberflächlich betrachtet ähnlich aus wie ihre Vorbilder, mit dem Unterschied, daß das bäuerliche Leben nicht mehr Lebensrealität der Teilnehmer und Veranstalter ist. Der gelebte dörfliche Brauch wandelte sich in einen überregionalen Vorführbrauch. Das Kronenfest ist ein wundervolles Beispiel für erfolgreiche Brauchtumsanpassung an neue Lebensumstände und trägt die wichtige Funktion, das Heimaterbe zu bewahren und die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen zu stärken.

Über die Autorin:

28 Jahre alt, Ehefrau, Mutter und Mitorganisatorin zweier großer Kulturveranstaltungen für die deutsche Jugend; aufgewachsen im Österreichischen Turnerbund und der Bündischen Jugend, Studium zur Volksschullehrerin, anschließend drei Jahre in der österreichischen Politik.

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