von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (32)
Kein Herrscher Bayerns ist über die Landesgrenzen hinaus bekannter als der „Kini“, der am 10. März 1864, vor 160 Jahren, als Ludwig II. König wurde. Als „Märchenkönig“ verkitscht und verklärt, zieht er alljährlich Millionen von Touristen in seine einstigen Schlösser.
Relativ streng erzogen kam der am 25. August 1845 auf Schloß Nymphenburg geborene Ludwig 1864 ganz unvorbereitet auf den Thron: Sein Vater Maximilian – dieser war seit der Abdankung Ludwigs I. (nicht zuletzt wegen dessen Geliebter Lola Montez) 1848 König von Bayern gewesen – war nach kurzer Krankheit verstorben. Nun sah sich der junge Mann, der sich weit mehr für Schöngeistiges wie die Werke von Richard Wagner und Friedrich Schiller als für Politik und Militär interessierte, mit der Notwendigkeit konfrontiert, als Herrscher zu fungieren. Da Bayern seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts moderner wurde, stand Ludwig II. prompt vor einer Vielzahl komplexer Herausforderungen. Diesen Zwiespalt, ein anderes Leben als das von ihm gewünschte führen zu müssen, sollte er niemals überwinden können. Auch das ist ein Hauptgrund dafür, daß er zu keiner Zeit seinen Platz als König fand und sich in Phantasien flüchtete, die ihn die Realität aus dem Blick verlieren ließen.
Im Deutschen Krieg von 1866 stand Bayern auf der Seite Österreichs – und verlor mit ihm. Daraufhin unterstellte Bayern in einem geheimen Vertrag seine Truppen Preußen, was das Ende der bajuwarischen Unabhängigkeit bedeutete. Für eine von Preußen gezahlte hohe Summe unterschrieb der hoch verschuldete Ludwig am 30. November 1870 den „Kaiserbrief“, in dem die deutschen Fürsten König Wilhelm I. von Preußen offiziell die Kaiserkrone antrugen. An der Kaiserproklamation von Versailles am 18. Januar 1871 nahm Ludwig bewußt nicht teil, da ihm die neue Ordnung zuwider war.
Immer mehr zog sich der Monarch aus der Politik und aus der Öffentlichkeit zurück, pflegte jedoch weiter einen exzentrischen, kostspieligen Lebensstil. Dies nutzten seine Feinde zur Verbreitung von Gerüchten, Ludwig sei geisteskrank. Zur Vertuschung der vom König angehäuften Schulden beschlossen Premierminister Lutz und Ludwigs Onkel Luitpold die Absetzung des „Kinis“. Daher ließen sie diesen Anfang Juni 1886 für verrückt erklären und auf Schloß Berg am Starnberger See internieren. Dort endete am 13. Juni 1886 Ludwigs II. Leben durch Mord, Selbstmord oder Unfall.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.