von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (28)
Um Kaspar Hauser rankten und ranken sich immer noch viele Legenden, und auch mehr als 200 Jahre nach seinem Erscheinen bleibt sein Los voller Geheimnisse und Ungereimtheiten. Vor 190 Jahren, am 17. Dezember 1833, starb der rätselhafte Findling von Nürnberg an den Folgen einer Stichverletzung, die ihm ein Unbekannter zugefügt haben soll.
Kaspar Hauser trat mit 16 Jahren in Nürnberg am Pfingstmontag 1828 als Junge mit schwankendem Gang und großen Artikulationsproblemen ins Licht der Öffentlichkeit. Das Interesse an ihm ist seither ungebrochen. Während die einen in Hauser einen gewitzten Betrüger sehen, halten die anderen ihn für einen aus dem Weg geschafften Erbprinzen des Hauses Baden. Rasch zur Attraktion geworden, stürzte sich in Nürnberg die Gesellschaft neugierig und schaulustig auf ihn. Kaspar berichtete, daß er in einem dunklen Verlies bei Wasser und Brot, ohne Möglichkeit zu freier Bewegung und ohne menschlichen Kontakt vegetiert habe. Doch bei einem Gymnasiallehrer erlernte der Knabe bald darauf erstaunlich rasch das Lesen, Schreiben und Rechnen.
Doch die Wende zum Guten im Leben Kaspar Hausers dauerte nur kurz, denn am 17. Oktober 1829 wurde er Opfer eines ersten Anschlags: Er kam mit leichten Schnittverletzungen an der Stirn davon. Der Trubel um den Jungen und die Gerüchte um seine adelige Herkunft zogen in diese „Affäre“ auch den Juristen Paul Johann Anselm von Feuerbach hinein, der seine Rechercheresultate aber nicht veröffentlichte. Auf seinen Rat wurde Kaspar Hauser zu der Familie des gestrengen Lehrers Johann Georg Meyer gebracht. Bald darauf, am 14. Dezember 1833, kehrte Kaspar mit einer Stichverletzung in dessen Haus zurück. Er erzählte, er habe sich im Hofgarten von Ansbach mit einem Unbekannten getroffen, und dieser habe ihm Material zu seiner Herkunft übergeben. Dann aber habe der Fremde ihn niedergestochen. Am 17. Dezember 1833 erlag Kaspar Hauser der dabei erlittenen Verletzung.
Bis heute hält sich die Theorie, der Findelknabe sei der 1812 geborene Erbprinz von Baden. Er sei wegen der Begünstigung einer Nebenlinie im Zuge einer Intrige vom Hof entfernt und eingesperrt worden, und seiner Mutter, der Großherzogin Stéphanie, sei an seiner Stelle ein todkrankes Kind untergeschoben worden. Doch fragt man sich, wieso Kaspar diesfalls nicht sogleich getötet, sondern jahrelang in Gefangenschaft gehalten worden sein solle. Und warum trug er von seiner grausamen Einzelhaft keine gravierenderen physischen und psychischen Schäden davon? Das Rätsel um Kaspar Hauser bleibt weiter ungelöst.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.