von Mario Kandil
Kalendarium Kandili (24)
Es mißlänge, wollte man die Vita des am 11. Oktober 2008, vor nunmehr 15 Jahren, im Kärntner Lambichl bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Jörg Haiders hier nach bloßer Chronistenart darbieten. Denn so würde man diesen Politiker in eine Schablone pressen, in die er nicht paßt.
Der am 26. Jänner 1950 in Goisern (Oberösterreich) geborene Haider polarisierte in Österreich wie in Kärnten mehr als jede andere Person. Noch heute gibt es in Kärnten wohl kaum einen Erwachsenen, der ohne Meinung zu ihm wäre. Der 1973 in Rechts- und Staatswissenschaften Promovierte trug durch seine schneidige, jede Form von „politischer Korrektheit“ übergehende Art des Redens und Agierens sehr zu dieser Polarisierung bei. Doch da er tatsächlich etwas verändern wollte, mußte er so handeln. Nach vier Jahren als Chef des Ringes Freiheitlicher Jugend (1971-1975) als Beginn seiner Karriere in der FPÖ wurde er 1976 Parteisekretär in Kärnten und kam 1979 als jüngster FPÖ-Mandatar in den österreichischen Nationalrat. Als Obmann der Kärntner Freiheitlichen attackierte er den liberalen Flügel der FPÖ und konnte mit Hilfe ihres deutschnationalen Flügels bei einem Parteitag in Innsbruck am 13. September 1986 Bundesobmann Norbert Steger ablösen.
Sein Aufstieg brachte der FPÖ große Stimmengewinne, die Haider 1989 erstmals in das Amt des Landeshauptmanns von Kärnten trugen, 1999 ein zweites Mal. Bei den Nationalratswahlen im selben Jahr zog Haiders FPÖ mit der ÖVP gleich und bildete mit ihr eine Koalitionsregierung. Doch da im Ausland die FPÖ und speziell Haider z. T. als „rechtsextrem“ galten, verkniff sich dieser den Eintritt in die Bundesregierung. Seine nach darauffolgenden FPÖ-Wahlniederlagen ventilierte Forderung nach Neugründung der FPÖ als „junge“ Partei führte letztlich mit zum Bruch mit dieser, bei der nun Heinz-Christian Strache die Führung übernahm. Haider gründete im April 2005 das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), hatte damit jedoch erst bei seiner Rückkehr in die Bundespolitik 2008 Erfolg. Was weiter daraus hätte werden können, verhinderte Haiders Tod bei einem Autounfall am 11. Oktober 2008, der von vielen jedoch nicht als Unfall gesehen wurde.
Ein Volkstribun wie Jörg Haider, speziell mit rechter Provenienz, hat in unserer von immer mehr Gleichschaltung im Sinne einer „One World“ geprägten Zeit kaum noch Chancen, weit zu kommen. Trotzdem bzw. gerade deshalb muß und wird es immer wieder Akteure wie ihn geben.
Über den Autor:
Dr. phil. Mario Kandil M.A., geb. 1965, studierte in Aachen Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politische Wissenschaft und promovierte in Hagen. Nach langjähriger Tätigkeit im universitären Bereich und in der Erwachsenenbildung heute freier Historiker und Publizist. Forschungsschwerpunkte: Zeitalter der Französischen Revolution und Napoleons I. sowie der Nationalstaaten, Weltkriege und Kalter Krieg.