von Ulrike Raich
Die Kinderlosigkeit ist ein gesellschaftliches Phänomen in allen Industriestaaten. Wir werden damit immer weniger, auch wenn die steigende Lebenserwartung diese Abwärtsspirale überdeckt. Drei Viertel der Bevölkerung Europas lebt in Ländern mit einer statistischen Geburtenrate von unter 1,5 Kindern pro Frau.
Verschärft wird die Kinderlosigkeit durch den Rückgang des Kinderwunsches: Im Zeitraum zwischen 2009 und 2023 sank er in Österreich von 2,1 auf 1,68 Kinder pro Frau. Aber selbst diese wenigen Kinder werden nicht geboren. Eine Frau schenkt durchschnittlich nur 1,41 Kindern das Leben.
Über die Gründe für den Rückgang des Kinderwunsches und der Geburtenraten wird viel gemutmaßt. In der Politik herrscht eine gewisse Ratlosigkeit, wie sich Geburtenraten steigern lassen könnten. Studien liefern vom Auftraggeber erwartete Ergebnisse. Und doch zeigt sich: Finanzielle Anreize helfen nur bedingt. Es sind vielmehr die Rahmenbedingungen und das gesellschaftliche Klima, die ein Ja zu Kindern befördern.
Die meisten Frauen, vor allem die Frauen aus dem Mittelstand und den gebildeten Schichten, wollen heute beides haben, so wie dies für Männer schon immer Realität war: Beruf und Familie.
Daher gibt es heute Kinderkrippen und -gärten, Tagesmütter, Hortbetreuung für Kinder bis 14 Jahre etc., wenngleich die Versorgung in ländlichen Gegenden oft noch zu wünschen übrig läßt. Wo die Vereinbarkeit gelingt, gibt es auch mehr Kinder – entgegen der Tendenz, die früher beobachtet wurde.
In diesem Zusammenhang muß auch die Corona-Politik erwähnt werden: Als einzige positive Folge hat sie die Akzeptanz des Arbeitens von zuhause aus deutlich erhöht. Galt „Homeoffice“, wie es ebenso falsch wie flächendeckend neudeutsch heißt, bis dahin als Ausnahmeregelung, ist es in den Berufen, wo es möglich ist, heute Usus. Niemand rümpft mehr die Nase, wenn eine Mutter zumindest nachmittags vom Heimbüro aus arbeitet. Die technischen Fortschritte machen es möglich.
Staatliche Programme zur Unterstützung von Familien gibt es in allen Industrieländern. Ungarn hat vor einigen Jahren die Vorreiterrolle in der Pro-Kind-Politik übernommen. 2011 lag die Geburtenrate noch bei 1,23 Kindern pro Frau, 2022 schon bei 1,56 – und ist damit die sechstbeste Geburtenrate der Europäischen Union. Italien, das die niedrigste Geburtenrate hat, will sich daher jetzt ein Beispiel an Ungarns Familienpolitik nehmen.
Das ungarische Modell setzt nicht nur auf finanzielle Anreize, sondern zielt auch auf emotionale Bedürfnisse und eine verstärkte Unterstützung für Familien an sich ab.
Im Jänner wurde die „Beihilfe zur Schaffung von Familienwohnungen“ deutlich ausgeweitet. Es gibt ein zinsgünstiges Darlehen in Verbindung mit einem gewissen Schuldenerlaß bei jeder weiteren Geburt. Ebenso setzt Ungarn auf Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und fördert die traditionellen Familienwerte.
Einen anderen, viel grundsätzlicheren Ansatz hat zum Beispiel Dänemark gewählt – und damit die Geburtenrate deutlich angehoben. In Dänemark läuft das Leben für Eltern und Kinder synchron: Laut dem dänischen Arbeitsministerium liegt die wöchentliche Arbeitszeit von in Vollzeit Beschäftigten bei 37 Stunden, einschließlich Führungskräften und Lehrern. Kinder sind also gleich lang in der Schule, wie ihre Eltern arbeiten. Die Familien verlassen morgens gemeinsam die Wohnung und kehren am Nachmittag wieder gemeinsam nach Hause zurück. Für Rand- und Ferienzeiten besteht eine Betreuungsgarantie, die wesentlich vom Staat finanziert wird. Als 2014 die Ganztagsschule eingeführt wurde, lag die Geburtenrate bei 1,67. Zuletzt – trotz Corona-Folgen – bei 1,71. Denn Familien haben jetzt mehr Zeit füreinander, das Familienleben wird gestärkt, und Sorgen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht sich niemand mehr zu machen.
Was aber noch viel wichtiger, billiger und effektiver wäre: eine massive Kampagne für Familie und Kinder als das erstrebenswerteste Gut im Leben. Statt jede politische Entscheidung auf Gender und sonstige Minderheiten abzuklopfen, müßte jede politische Maßnahme „gekindert“ werden. Jede Maßnahme muß daran gemessen werden, ob sie zu mehr Kindern und besseren Lebensbedingungen für Familien führe.