Es ist eiskalt an diesem Wintertag, und das nicht nur, was die Temperaturen anbelangt. Ich stehe mutterseelenallein auf diesem so besonderen Platz, den ich noch nie zuvor so menschenleer gesehen habe. Von links blickt mich Prinz Eugen, von rechts Erzherzog Karl von Habsburg-Teschen an. Ihre nur durch die Hinterbeine der Pferde auf den Plattformen fixierten Reiterstatuen (entworfen in den 1860ern von Anton von Fernkorn) gelten als Meisterwerke der Plastik. Die Statuen der berühmten Feldherren bestimmen die Optik des ehemaligen „Promenadeplatzes“, wie der Heldenplatz einstmals hieß.
Ich genieße die Ruhe vor dem Sturm, denn am Tag darauf werden hier zehntausende Menschen gegen die gravierendsten Einschränkungen der Freiheitsrechte seit den Alliierten Besatzern demonstrieren: Österreich befindet sich abermals im sogenannten „Lockdown“, abermals sinken dadurch die Infektionszahlen nicht. Die entschlossenen Augen des habsburgischen Herzog von Teschen auf der einen und des Kommandeurs im Großen Türkenkrieg auf der anderen Seite blicken auf ein verlassenes Areal, das ursprünglich ein Kaiserforum von gewaltigem Ausmaß hätte werden sollen.
Gottfried Semper scheiterte jedoch mit seinem Entwurf, der 1913 schließlich aufgegeben wurde (aus diesem Grund sehen wir heute weiterhin vom Heldenplatz direkt auf das Burgtheater). Normalerweise tummeln sich auf diesem Platz unzählige Touristen und Familien sowie Museumsbesucher, die Ausstellungen des Ephesos-Museums, der Rüstkammer oder des Weltmuseums in der Neuen Burg ansehen wollen, wo auch die Österreichische Nationalbibliothek untergebracht ist. Seit November 2018 befindet sich in diesem Trakt das umstrittene „Haus der Geschichte Österreich“.
Der Archivwissenschaftler Michael Hochedlinger kritisierte die Eröffnung als „Geschichtsvernutzung“, womit er sich in den Reihen des politisch-korrekten Lehrpersonals der Universität nicht gerade beliebt gemacht hat. Aber heute bleiben der Platz und die Museen leer; anstelle von Touristen beanspruchen nun Polizeifahrzeuge den Platz.
Am Ballhausplatz nebenan tummeln sich zum Teil schwerbewaffnete Polizeikräfte und Spezialeinheiten der Cobra. Was diese fast surreal wirkende Präsenz der Exekutive zu bedeuten hat, weiß man nicht – hat man Angst vor einem Sturm auf das Kapitol? Die Leere des Heldenplatzes steht stellvertretend für die Situation der österreichischen Wirtschaft; Studien prognostizieren, daß 10% der Unternehmen, 19% der Wirtshäuser und 31% der Kulturbetriebe pleitegehen werden. Vielleicht macht der Verunsicherung bald Unmut Platz, und dann wird dieser Platz wieder mit Menschen gefüllt sein. (Julian Bauer)
